Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
wollte, und er war schon dabei, seine Stute in Bewegung zu setzen, als er sie wieder anhielt. Eine neue Beobachtung schreckte ihn zurück.
Aus dem Hause kam ein Mann, den Wakiya-knaskiya nicht kannte. Es konnte ein Indianer sein oder auch nicht. Er war mittelgroß, nicht nur schlank, sondern hager; seine Schultern fielen nach vorn, als ob er müde sei; seine Arme und Hände baumelten aus den nach vorn fallenden Schultern heraus und machten dadurch den Eindruck, daß sie etwas fassen wollten, obgleich der Mann scheinbar ziellos vom Hause weg schlenderte. In der Türöffnung erschien eine alte Frau und verschwand wieder.
Wakiya verstand das nicht. Waren fremde Leute bei der Mutter eingezogen? Vielleicht erschien das hellblaue Haus jetzt zu groß für die klein gewordene Familie, und die Mutter hatte noch jemanden bei sich aufgenommen. Wakiya leitete sein Pferd im Schritt von der Anhöhe hinunter und zu dem Hause hin. Hanska mußte ihn jetzt sehen. Aber er trug zwei Eimer und konnte nicht winken.
Der fremde Mann achtete nicht auf den heranreitenden Jungen.
Er hatte sich noch gar nicht nach ihm umgewandt, sondern wartete offenbar auf Hanska, dem er langsam entgegenging.
Er ging unsicher, das fiel Wakiya auf.
Der Bub war mit seinem Pferd auf etwa hundert Fuß an das Haus herangekommen, als der Mann und Hanska zusammentrafen. Die beiden blieben voreinander stehen, der Mann schaute in die Eimer und fing an zu schelten.
»Halb leer! Hast du nicht gelernt, Wasser zu holen?«
Die Stimme klang unnatürlich rauh.
Hanska wollte mit seinen Eimern zur Seite und an dem Mann vorbeilaufen, aber der packte ihn und rüttelte ihn, so daß Hanska die Eimer losließ. Sie kippten auf dem unebenen Wiesenboden um, das Wasser lief aus und versickerte.
»Kannst du nicht Wasserholen lernen!«
Hanska machte einen Versuch, sich loszureißen und zu entkommen, aber der Mann packte ihn um so fester und schlug auf ihn ein.
»Ich werde dich lehren, Wasser zu holen!«
Hanska schrie nicht, obwohl der Mann mit ganzer Kraft auf ihn einschlug.
Wakiya war außer sich.
»Hay, hay!«
Der Mann ließ Hanska halb los und schaute nach dem Reiter, der ihn angerufen hatte. Hanska nutzte den Augenblick, entwand sich seinem Peiniger und flüchtete schnell wie ein Wiesel in das Haus, wo die alte Frau ihn an der Tür empfing und schützend den Arm um ihn legte.
Wakiya hielt zu Pferd dem betrunkenen Mann gegenüber, der den jungen Reiter jetzt feindselig anstierte.
»Was willst du hier?! Scher dich fort!«
»Das ist das Haus und das Land meiner Mutter! Hier reite ich, wo ich will. Mein Name ist Wakiya-knaskiya Byron Bighorn!«
»Schöner Name! Guter Name! Komm her, du kannst auch gleich eine Tracht Prügel beziehen, und dann holst du das Wasser!«
»Du hast mir gar nichts zu sagen. Wie ist dein Name, den du schändest, wenn du ein Kind schlägst?«
»Mach, daß du fortkommst, oder ich bin dir gleich auf dem Nacken!«
Der Mann setzte sich mit einer unerwarteten Geschwindigkeit in Bewegung. Wakiya hatte damit nicht gerechnet und brachte sein Pferd nicht rasch genug in Gang. Der Mann war schon da und entriß ihm den Zügel. Wakiya glitt herunter und rannte davon. Der Mann schwang sich auf und schlug der Stute die Fersen in die Seiten; er verfolgte Wakiya und war schneller. Aber der Bub rief die Stute an, die ihn gut kannte und liebte. Das Pferd begann zu bocken und zu tanzen, und der fremde Reiter wurde nicht Herr darüber. Das Tier drehte sich am Platz und brach dann mit seinem ungewohnten Reiter nach einer anderen Richtung aus. Als der fremde Mann, der keine Peitsche bei sich hatte, es mit Fersen und Fäusten zu traktieren begann, stieg es und schlug aus, und der Reiter landete im Gras. Die Stute galoppierte ein Stück in die Prärie hinaus. Als sie sich sicher fühlte, blieb sie stehen, hob den Kopf und äugte; sie hielt sich bereit für ein Fangenspiel, in dem ein reiterloses Pferd im offenen Gelände jederzeit überlegen war.
Auch Wakiya war ein Stück fortgerannt. Aber ganz und gar davonzurennen, erschien ihm zu schmählich. Er konnte die entlaufene Stute nicht einfach im Stich lassen. Er konnte Hanska nicht verlassen. Und wie erging es wohl seiner kleinen Schwester? Wakiya beobachtete, was der schandbeladene fremde Mann nun tun würde.
Der Mann wollte sich vom Boden erheben, fiel aber zweimal wieder hin, da er das Gleichgewicht nicht halten konnte. Endlich stand er auf den Beinen. Er streckte einen Arm aus, als ob er sich selbst die Richtung
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