Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
Kinder waren heute bei mir. Ganz allein. Ich wunderte mich natürlich. Die beiden sind noch nicht nach Hause gekommen? Aber das ist ja entsetzlich!«
»Können Sie mir bitte sagen, was die Kinder bei Ihnen wollten, Miss Bilkins?«
Queenies Stimme klang schüchtern. Sie war müde, aufgeregt, hilfsbedürftig. Aber sie wußte, daß die energische Miss Bilkins sofort das Messer der Grundsätze ziehen würde, und Queenie besaß keinen Schild, um sich dagegen zu schützen.
»Was sie wollten? Weiß ich nicht genau. Ich hatte den Eindruck, daß sie wünschen, in eine Internatsschule außerhalb der Reservation gebracht zu werden. Ich werde das bewerkstelligen, obgleich es natürlich so kurz vor Schulbeginn nicht einfach ist. Aber wo können die Kinder nur geblieben sein! Sie haben bei Eliza Bighorn eine denkbar schlechte Erziehung erhalten - mit Byron schien aber bei Ihnen alles gut zu gehen. Was ist jetzt wieder passiert? Internate sind doch das einzig Mögliche und Richtige für Indianerkinder!«
Queenie biß sich auf die Lippen. »Der Weg ist weit. Sie werden noch heimkommen.«
»Ja, Missis King, ich hoffe, Sie finden die beiden bald. Ich werde morgen sofort alle nötigen Schritte unternehmen, um Byron und Joan im Internat unterzubringen.«
»Miss Bilkins, ich bin zum Vormund der Kinder bestellt. Ich glaube, es...«
»Das hat in dieser Frage nichts zu sagen... was Sie glauben, Missis King. Die Sorge der Entscheidungen über Indianerkinder trägt die Schulverwaltung.«
Miss Bilkins schloß die Unterredung ab, und Queenie ging.
Während sie bei Ed und Margot Crazy Eagle saß und Trost suchte, hockten Wakiya-knaskiya und Rotadlermädchen im Hause von Jimmy White Horse. Er hatte den Buben und das Mädchen, die sich nach ihrer mißglückten Vorsprache bei Eve Bilkins wieder nach Hause begeben wollten, zufällig getroffen, und da sie offenbar müde und hungrig waren, hatte er sie zu sich eingeladen. Die Kinder hatten sich dabei so wenig etwas Böses gedacht wie Jimmy. Sie freuten sich im Gegenteil, daß sie Gelegenheit hatten, ihre Sorgen dem Chief President persönlich vorzutragen, und merkten, daß er sie besser verstand als Eve Bilkins, die nicht begriffen hatte, daß die Kinder ihren Bruder Hanska loszukaufen trachteten. Jimmy wollte, wie er es sich selbst eingestand, bei dieser Gelegenheit etwas über die intimere Atmosphäre im Hause King erfahren, zum Beispiel ob nicht auch Joe hin und wieder dem Brandy zusprach. Aber in dieser Hinsicht blieben alle seine direkten und indirekten Fragen ohne Erfolg.
Als es Abend wurde, drängten die Kinder, nach Hause zu gehen, doch wagten sie wiederum nicht, dem President zu widersprechen, der sie über Nacht bei sich behalten wollte. Jimmys wahre Gründe konnten sie nicht durchschauen. Die Kinder zu Fuß in die Nacht hinauszuschicken, war sträflicher Leichtsinn. Den Wagen zu nehmen aber konnte Jimmy nach dem Genuß eines letzten Restes Brandy ebensowenig verantworten. So versicherte er den Kindern mit rauher Stimme, daß sie in seinem Hause schlafen würden. Er strich ihnen freundlich über das Haar. Aber als er Rotadlermädchen dabei so nahe kam, daß sie seinen Atem riechen konnte, überfiel das Kind eine unsägliche Angst. Bleich und starr saß es auf dem Hocker.
Jimmy wurde verlegen; er war sich der erschreckenden Wirkung, die er ausübte, dunkel bewußt.
Wakiya-knaskiya aber begriff und sah ein, daß er für seine kleine Schwester verantwortlich war und handeln mußte.
Wie verfolgte Tiere flohen die beiden.
Das Ergebnis dieser Ereignisse wurde im Büro von Miss Bilkins im Beisein von Missis Carson ausgehandelt. Hanska würde im Internat außerhalb der Reservation bleiben. Rotadlermädchen sollte mit dem Beginn des neuen Schuljahres dort ebenfalls aufgenommen werden. Byron blieb bei seinen Pflegeeltern. Das war das einzige Zugeständnis, zu dem Miss Bilkins sich bereit fand.
Des Nachts im Zelt kam Queenie noch lange nicht zur Ruhe. Die Last der Verantwortung für die Pflegekinder lag auf ihr wie ein schwerer Stein, und sie dachte an Eliza Bighorn, die Mutter. Mußte sie nicht mit ihr sprechen?
Queenie redete sich ein, daß auch ihr Mann noch wach sei.
»Joe!«
»Hm.«
»Schläfst du schon?« »Nicht mehr.«
»Niemand besucht Eliza. Das ist nicht gut.«
»Es ist schlecht.«
»Wer darf sie besuchen?«
»Du als Vormund ihrer Kinder. Sieh dir nur einmal ein Gefängnis an. Das kann nicht schaden.«
»Wie mache ich das?«
»Wenn es nach der Ordnung gehen soll,
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