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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Siksikau, fahren und Hilfe holen sollte, während Hanska bei Joe blieb.
    Joe gab sich selbst nach und verlor das Bewußtsein.
    Als er wieder etwas wahrnahm, lag er in einem großen Lederzelt, das ihm völlig unbekannt war. Die Behausung war von angenehm betäubenden Düften erfüllt. Er erinnerte sich an die Schmerzen, die er ausgestanden hatte, als er zuletzt noch bei Bewußtsein war, und fragte sich, ob sie auf natürliche Weise nachgelassen hatten oder nur dank einer Betäubung. Er versuchte den Kopf zu bewegen, das vermochte er, und er erblickte den alten Zaubermann der Siksikau in Lederkleidung, mit Federn und Tierbälgen geschmückt.
    Joe versuchte zu denken und zu ergründen, wie er in dieses Zelt gekommen war. Schließlich erinnerte er sich an die ganze Kette der Vorgänge und vermutete, daß Collins ihn zu dem Geheimnismann geschafft hatte. Zauberer, die es in jedem Stamm noch gab, pflegten sich nach wie vor auch als Ärzte zu betätigen mit mehr oder weniger Geschick und Glück.
    Joe betrachtete den seltsamen Mann, sagte aber nichts und rührte sich auch nicht weiter. Der Geheimnismann hatte das Erwachen seines Patienten beobachtet.
    »Stehe auf, Stein mit Hörnern. Du hattest zwei Krankheiten, eine Geisterkrankheit, die dich als einen hastigen und mit sich selbst entzweiten Mann in den Sumpf trieb, und eine, die der Sumpf dir zugefügt hat. Der Sumpf hatte deine Knochen im Rücken verschoben. Ich habe sie wieder gerade gerichtet. Du kannst aufstehen und gehen. Ob du aber Kraft hast, die Spalte in dir zu schließen, die die Geister aufgerissen haben, das wird sich erst zeigen.«
    Inya-he-yukan hatte das letzte Wort abgewartet. Nun richtete er sich auf, und obgleich im ganzen noch sehr schwach, stand er doch auf den Füßen. Auch der Geheimnismann hatte sich erhoben und trat ihm gegenüber.
    »Ochguchodskina, du besitzt das Geheimnis deines großen Ahnen, deine Seele ist die eines Bären, und du bist durch den Sonnentanz gegangen. Was glaubst du heute, aufrichtig und ohne Umschweife? Wo ist die Kraft?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht beim Teufel.«
    Die Worte waren doppelsinnig.
    Joe erinnerte sich, daß er eine ähnliche Antwort schon einmal gegeben hatte, als ihm von Frank Morning Star die gleiche Frage vorgelegt worden ward. Frank Morning Star hatte sich mit Joes Antwort begnügt. Joe wartete, ob der seltsame Siksikau sich auch begnügen würde. Dieser Mann hier hatte aus einer halben Leiche wieder einen Menschen gemacht. Aber was wußte er von den Geistern und ihren Höllen in Kellern und Palästen? Kannte er die Seele eines Mannes, der verurteilt war, sein Leben lang den Geistern zu gehorchen? War er eins mit ihr?
    »Ochguchodskina, beim bösen Geist der Geister ist eine gewaltige Kraft. Aber das Große Geheimnis vermochte er noch nicht zu töten; er hat die Sonne nicht in der Finsternis festgehalten und den Mond nicht geblendet. Er hat die Menschen noch nicht vertilgen können und ihnen das Herz noch nicht aus dem Leibe gerissen. Wirst du zu denen gehören, die ihm widerstehen?«
    »Meine Hände sind leer und schwach. Sie vermögen einen Adler vom Himmel zu schießen, aber sie vermögen nicht, ihn aus dem Sumpf zu holen und wieder zur Höhe steigen zu lassen.«
    »Dennoch ist deine Seele die eines Bären. Deine flatternden Gedanken legen sich, und du saugst wieder Kraft aus der Stille der großen Geheimnisse.«
    Inya-he-yukan schwieg.
    »Was denkst du, Ochguchodskina?«
    »Du redest wie Elk, wenn er vom Volke Israel spricht.«
    »Wer ist Elk?«
    »Unser junger Priester in den Slums.«
    »Ich schäme mich nicht, das gleiche zu sagen wie er, wenn er das Rechte sagt. Die Menschen sind schwach. Sie müssen ihren Weg miteinander gehen.«
    »Hau.«
    Der Wiedergenesene atmete tief.
    Drei Tage später war er soweit gekräftigt, daß er das Zauberzelt verlassen und sich wieder zu den Seinen begeben konnte.
    Wakiya und Hanska schmiegten sich stumm an ihn. Zu groß war die Angst der beiden Waisenkinder gewesen, daß sie auch noch ihren Wahlvater verlieren würden; das Nachbeben verschloß ihnen noch den Mund.
    Joe erfuhr, was in der langen Zeit seiner Bewußtlosigkeit mit ihm vorgegangen war. Collins hatte ihn im Krankenwagen mit einem weißen Arzt des Reservationshospitals zusammen geholt. Als der Arzt nach der Röntgenaufnahme von monatelangem Krankenlager und lebenslangem Siechtum infolge einer Rückgratverletzung gesprochen hatte, war Collins, der Siksikau, listig geworden. Unter geschickten Vorwänden

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