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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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hatte der Mann mit den toten Augen Wakiyas geheimen Wunsch erraten können? Es gab zweierlei Augen, äußere und innere. Wakiya war glücklich.
    Dann kam das, was er immer gefürchtet hatte, mit schrecklicher Gewalt hervor. Seine Glieder fingen an zu zucken, und er stöhnte. Während Mrs.  Whirlwind,  Margot  Adlergeheimnis  und Miss Lawrence herbeieilten, packte Wakiya die Krankheit, schleuderte ihn und warf ihn hin, und er hörte noch die Schreckensschreie rings, bis er dann nichts mehr wußte, als daß er gequält und gerissen wurde und um sich schlagen mußte, obgleich er es nicht wollte.
    Während Wakiya selbst gar nichts mehr wahrzunehmen vermochte, hatten Mrs. Whirlwind und Miss Lawrence die Kinder der beiden Klassen rasch aus dem Laden hinausgeführt. Manche Kinder der ersten Klasse hatten noch nichts in ihren Korb gelegt oder den Korb in der Verwirrung mit zum Bus genommen. Die beiden Frauen hatten genug zu tun, um zu sammeln und zu ordnen, während Margot und Ed Crazy Eagle bei Wakiya knieten, ohne den schweren Anfall mehr brechen zu können. Die Kassiererin geriet in eine unvernünftige Aufregung.
    »Um Himmels willen, schaffen Sie ihn fort! Schaffen Sie ihn augenblicklich weg! Wie kann man ein solches Kind überhaupt zur Schule schicken - und dann noch hier im Laden.! Wie verantwortungslos! Was ist das überhaupt?! Es ist ja furchtbar.«
    Als der Anfall endlich nachließ, brachte Margot Adlergeheimnis das Kind, das noch nicht wieder bei sich war, in ihren bereitstehenden Wagen. Blaß setzte sie sich an das Steuer, neben sich David, während ihr Mann hinten saß und Wakiya auf seinen Schoß gebettet hielt.
    So kam Wakiya zum erstenmal in das Haus seines Freundes David.
    Es dauerte lange und war schon Abend, als er wieder recht um sich schauen, seine Umgebung betrachten und beobachten konnte. Es war ihm dabei noch unheimlich zumute, da er sich nicht daheim in der Blockhütte wiederfand.
    Endlich aber ließ er es gern geschehen, daß David bei ihm saß und seine schlaff gewordene Hand hielt.
    Durch das Fenster sah Wakiya die Abendsonne am Horizont, den runden Schild, die Blutfarbe. Er trank etwas Wasser aus einem Becher. Die Familie Crazy Eagle bewohnte ein Haus bei der Agentursiedlung, wo es eine Wasserleitung gab wie in der Schule. Margot war Krankenschwester und Fürsorgerin; das erklärte sie Wakiya jetzt. Sie kannte seine Muttersprache. Aber Ed, der blinde Mann, der aus einem anderen Stamm kam, kannte diese Sprache nicht.
    Die beiden erzählten Wakiya dies und das leise, um ihn von seiner Erinnerung an den Anfall abzulenken. Wakiya hörte wie über eine weite, leere Strecke hinweg zu und schaute unentwegt in das Gesicht mit den toten Augen.
    »Wer hat dir die Augen genommen, Crazy Eagle?«
    »Der Schmutz und der Sand. Wir waren arm daheim, Wakiya, und hatten noch weniger Wasser als du und deine Mutter.«
    Wakiya dachte nach. »Der Alte war auch blind.« Diese Worte sagte er in seiner Muttersprache. Margot und Ed schauten sich an, und Margot übersetzte. Es gab mehr als einen Blinden und viele Augenkranke. Ed und Margot konnten nicht wissen, wen Wakiya meinte, und sie wollten nicht in ihn dringen.
    Wakiya aß einen Happen Fleisch. Er lag auf der Küchenbank; die anderen saßen am Küchentisch bei ihm. Die Möbel glänzten weiß. Die Fenster hatten weiße Rahmen wie in der Schule. Wakiya ging wieder in sich zurück. Doch konnte er von dem Gedanken, daß Ed Adlergeheimnis blind sei und doch fern von der Reservation die Worte und Schliche der Geister lernte, nicht loskommen. Er wollte etwas fragen und wußte doch nicht, wie und was. Sie saßen alle um ihn herum; er war aber nicht gewohnt, in dieser Weise im Mittelpunkt zu sein. Rings um ihn war alles fremdartig, und er wußte nicht, wie er hier wieder heraus und nach Hause kommen könnte. Er dachte auch an den Alten und daran, wie er selbst die verlorenen Augen wiedergefunden hatte und daß er das dem Alten nicht mehr sagen konnte. Der Alte ruhte schon lange im Grabe, die Geister aber herrschten.
    »Teacock ist ein böser Geist.«
    Margot und Ed schauten sich wieder verwundert an. Sie konnten nicht ahnen, auf welchen Wegen Wakiyas Gedanken auf den Namen dieses Lehrers gestoßen waren. Vielleicht war Byron Bighorn von ihm gescholten worden und das Erlebnis wühlte noch in ihm?
    Teacock war nicht nur Mathematiklehrer; er hatte sich zu einer Art Befehlshaber in der ganzen Schule gemacht und wurde von den meisten Schülern, ja, auch von manchem Lehrer

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