Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
Sorge und trotz der Schmerzen, die die Mutter nun oft schon beim Stillen erleiden mußte, sah sie jeden kleinen weißen Zahn, der sich aus dem hellen Fleisch herausarbeitete, wie ein Wunder, das sie auch Joe zeigen und miterleben lassen wollte. Aber Joe hätte sich viel mehr gewundert, wenn seine Kinder keine Zähne bekommen hätten.
Wakiya lag mit offenen Augen auf der Bettstelle. Nur jetzt keinen Anfall - nur jetzt nicht auch noch lästig werden! Der Ofen glühte zu heiß. Als das Feuer ausging, wurde es sehr kalt in der Hütte.
Endlich dämmerte es. Queenie machte sich wiederum von Joe los, sanft, aber mit ihrem fühlbaren tiefen Widerstreben. Wakiyas Herz und alle seine Nerven wollten zerreißen. Er war alt genug, um zu ahnen, was vorging. Queenie fragte mit abgewandtem Gesicht, was denn nun werden würde - da Dave und Haverman doch schon zugestimmt hätten - und ob Joe nicht lieber Frieden schließen wolle als einen' neuen Krieg zu führen... Es gebe so viele Pläne, die noch offengeblieben seien, die Hecken, die Grasaussaat, das Atelier... soviel friedliche Arbeit - Nütze die dem Stamm nicht auch? Müsse durchaus um die Schulranch gekämpft werden? Auch Freundschaften seien etwas Gutes.
Joe drehte sich stillschweigend zur Wand.
Wakiya-knaskiya und Untschida standen nach dieser Nacht besonders früh auf und trafen sich am Grabe des alten Inya-he-yukan.
Aufrecht stand noch immer der Stab mit der gekrümmten Spitze; leise bewegte sich das Adlerfederbündel.
Untschida und Wakiya saßen auf einer Felldecke beisammen im Schnee. Sie hatten sich ohne Worte zueinander gefunden, denn das Kind und die Alte waren nicht nur müde von der vorhergegangenen Nacht, sie fürchteten überhaupt die neuartige Unruhe des Hauses, in dem sie wohnten. Sie erschraken vor Tashinas hastigen und verfahrenen Versuchen zu schaffen; sie fürchteten Inya-he-yukans Brüten, aus dem er zu plötzlichem Entschlusse auffuhr. Die Unruhe der Zwillinge, die von der Mutter auf die Kinder übergegangen war, quälte sie; ihnen beiden war angst um die Kleinen. Viele Kinder starben an Darmkrankheiten, sobald die Muttermilch nicht mehr ausreichte. Das wußte auch Wakiya, der zwei Brüder verloren hatte.
Zum erstenmal dachte Wakiya: Wäre der alte Häuptling noch am Leben! Wie sollen wir ohne ihn sein? Wäre er noch da, so könnte ich des Nachts bei ihm im Zelt schlafen auf Bärenfell und Büffelfell und in das glühende Reisig in der Feuerstelle schauen und träumen und schlafen... und Inya-he-yukan, der Alte und der Junge, würden leise miteinander sprechen und nicht unruhig sein. Aber nun war Inya-he-yukan der Alte zu seinen Ahnen gegangen, und in das verfluchte Haus waren wieder böse Geister eingedrungen. und ein Wirbelwind war hereingekommen, verwirrend, richtungslos. Wakiya erschrak vor seinen eigenen Gedanken.
Hatte auch der Sonnentanz das Blut nicht abgewaschen? Mußte immer wieder Streit sein?
Wakiya zog die Knie hoch und stützte die Arme darauf, er legte den Kopf in die Hände und dachte nach. Das Grab des Häuptlings war sein Standplatz, und er mußte wieder zu sich selbst kommen.
Er trug schwere Fragen mit sich herum. Vielleicht konnte er sie jetzt Untschida vorlegen. Zaghaft sah er von der Seite an ihr hinauf. Sie brauchte seinen Blick nicht zu spüren, wenn sie nicht wollte.
Doch wollte sie fühlen, was aus Wakiyas Augen sprach. Sie legte den Arm um die Schultern des Jungen und zog ihn zu sich heran, wie sie immer getan hatte, wenn seine Anfälle ihn schüttelten. Jetzt schüttelten ihn die Zweifel.
»Untschida! Wenn Häuptling Inya-he-yukan der Alte heute noch unter uns weilte, was würde er uns sagen?«
»Er spricht zu uns, Wakiya-knaskiya.«
»Hast du seine Worte gehört?«
»Die Zeichen seiner Worte stehen auf dem Gürtel, den er deinem Wahlvater Inya-he-yukan dem Jüngeren vor seinem Tode gegeben hat. Die Muscheln sind seine Sprache.«
»Was sagen sie? Darf ich es wissen? Oder bin ich nur ein Kind?«
»Du sollst es wissen. Mehr als ein Kind bist du schon, Wakiya-knaskiya. Auf dem Gürtel stehen die Zeichen: Nicht Seminolen oder Tscheroki, nicht Hopi oder Navajo, nicht Dakota oder Siksikau, die Menschen alle sollen Brüder sein.«
»O Untschida, ich höre es und bin doch traurig. Denn nicht einmal Männer aus dem gleichen Stamm wie Inya-he-yukan und Wirbelwind sind Brüder, und auch Inya-he-yukan und Tashina sind verschiedenen Sinnes geworden. Wie sollten die Männer und Frauen von so vielen verschiedenen Stämmen einig
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