Das Blut des Teufels
Der tätowierte Mann mit dem grimmigen Gesicht hatte die Steine eingehend betrachtet und mit hoch erhobenen Armen verkündet, Sam und die anderen seien Botschafter des Illapa , des Donnergottes. Anschließend hatte er diese nächtliche Feier zu ihren Ehren befohlen.
Trotz ihrer Einwände hatte man sie freundlich wegbugsiert und behandelt wie hoheitlichen Besuch. Gewaschen, gekämmt und in sauberer einheimischer Kleidung hatte sich das Team zu dem nächtlichen Festschmaus mit anschließender Feier wiedergetroffen. Das Mahl hatte sich endlos dahingezogen. Ein Gang nach dem anderen, bestehend aus hiesigen Köstlichkeiten, war aufgetischt worden: gebratene Meerschweinchen, Bohneneintopf mit Papageienfleisch, ein Salat aus spinatähnlichen Amaranthblättern, gemischt mit einer Art einheimischer Karotte, arracha genannt, dazu gewürzte Pasteten aus oca , einer Verwandten der Süßkartoffel. Ausgehungert, wie sie waren, hatten sie sich die Bäuche vollgeschlagen und nichts vom Angebotenen zurückgewiesen, auch deshalb, weil sie ihre Gastgeber nicht beleidigen wollten.
Nur Norman hatte kaum etwas zu sich genommen. Er fieberte aufgrund seiner Verletzungen und hatte sich bald in die Hütte aus Stein und Lehm zurückgezogen, die ihnen zugewiesen worden war. Kurz darauf war ihm Denal gefolgt, der aber nicht krank, sondern lediglich müde und erschöpft war. So wohnten jetzt nur noch Sam und Maggie der nächtlichen Feier bei.
Gähnend strich Sam über das knielange beigefarbene Gewand, das er jetzt trug, und richtete den kurzen yacolla - Umhang, den er sich über eine Schulter geschlungen und dort verknotet hatte. Von seinem Stetson hatte er sich nicht trennen wollen, und den zog er nun tiefer in die Stirn.
Anschließend lehnte er sich zurück und stützte sich auf die Hände. »Wie konnten diese Leute nur so lange hier im Verborgenen leben?«, murmelte er.
Maggie neben ihm rührte sich. »Weil sie es so wollten.« Sie trug ein langes ockerfarbenes Gewand, das ihr bis zu den Fußknöcheln reichte. Es wurde von einer elfenbeinfarbenen Schärpe mit dazu passendem Schal gesichert. Sie befingerte die Anstecknadel mit dem Golddrachen, mit der der Schal befestigt war. »Ist dir aufgefallen, dass der Regenwald den größten Teil des Dorfs versteckt? Fast wie eine Tarnung. Ich bezweifle sogar, dass Satelliten diese verborgene Stadt entdecken könnten. Denk doch nur mal an die geothermische Aktivität hier in der Gegend. Jede thermische Überprüfung würde doch nur ein wildes Durcheinander ergeben.«
Sam schaute zum dunstigen Nachthimmel auf. Nur wenige Sterne waren zu erkennen. »Hmm. Du könntest Recht haben.«
Maggie gab dem Gespräch eine andere Richtung. »Also, Sam, was ist es so für ein Gefühl, Botschafter des Donnergotts zu sein?«
Er lächelte träge. »Prophetische Steine hin oder her, ich schätze eher, der Schamane hat Echos unserer Gewehrschüsse gehört und uns deswegen mit Illapa in Verbindung gebracht.«
Maggie warf ihm einen raschen Blick zu. »Daran habe ich gar nicht gedacht. Ziemlich schlaue Theorie.«
Sam ging das Lob runter wie Öl und er musste grinsen.
»Aber was ist mit der Totenstadt da unten? Wie passt die hier rein? Sie ist fast ein Spiegelbild von diesem Ort hier.«
Sam runzelte die Stirn. »Keine Ahnung. Aber wenn man ihre Lage berücksichtigt, hat sie vielleicht etwas mit den drei Ebenen der Existenz zu tun. Wenn wir dieses Dorf mal als Teil der mittleren oder lebendigen Welt betrachten – der cay pacha –, dann gehört die Stadt da unten sicher zur uca pacha , zur unteren Welt.«
»Die Welt der Toten.«
»Genau … eine Totenstadt.«
Maggie zog nachdenklich die Brauen zusammen. »Hmm … vielleicht. Aber wo ist die dritte Stadt, falls deine Theorie zutrifft?«
»Was meinst du damit?«
»Die Inka waren ein sehr strukturiertes Volk. Wenn sie entsprechende Städte in den unteren und mittleren Welten erbaut haben, wo ist dann die Stadt der oberen Welt, der janan pacha? «
Sam wurde allmählich müde. Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Aber wir werden morgen weitere Antworten erhalten. Genießen wir doch jetzt die Feier zu unseren Ehren!« Er hob seinen Krug mit chicha , einem gegorenen Maisgetränk, und nahm einen langen Zug. Es war so bitter, dass er das Gesicht verzog.
Maggie setzte sich zurück. »Ist wohl nicht so ganz nach deinem Geschmack«, neckte sie ihn.
»Ein kühles Budweiser kann es jedenfalls nicht ersetzen. Aber dafür haut dieses Gebräu kräftig rein.« Er merkte, dass er
Weitere Kostenlose Bücher