Das Blut von Magenza
stellen.“
„Ist Bertram bereit?“
„Ja, er wartet unten auf Euch.“
„Gut“, meinte Griseldis nur und warf erneut einen bewundernden Blick in den Spiegel. Sie war wirklich eine sehr schöne Frau. Angesichts ihres strahlenden Erscheinungsbildes fragte sie sich, wie sie zu diesem trübseligen Namen gekommen war. Er passte so gar nicht zu ihr, denn an ihr gab es rein gar nichts „Graues“. Ihr langes, gelocktes Haar schimmerte in der Farbe reifen Weizens, ihre Augen leuchteten so blau wie Kornblumen, ihre Lippen waren rot wie reife Kirschen und ihre Zähne klein und weiß. Auf diese war sie besonders stolz und sie pflegte sie täglich. Ihre makellose Haut benötigte kein Bleiweiß um Unreinheiten abzudecken.
Mit anmutigem Schwung drehte sie sich noch einmal um die eigene Achse und begutachtete sich von allen Seiten. Blutroter Granatschmuck zierte ihr perfektes Dekolleté. Der Ausschnitt ihres Kleides fiel entgegen der gängigen Mode etwas größer aus, aber gerade so viel, wie es sich noch geziemte. Auch die Ärmel waren weiter und länger geschnitten, sodass sie mühelos ihre Hände bis an die Oberarme hineinschieben konnte. Ein kostbarer Gürtel schmückte ihre schmale Taille und sie wusste, dass sie umbeides von mancher Frau beneidet wurde. Mit ihren feingliedrigen Händen strich sie das Gewand glatt, fuhr noch einmal mit dem Zeigefinger die schön geschwungenen Augenbrauen nach und leckte sich dann über die Lippen.
„Hoffentlich lerne ich heute Abend wenigstens einen Mann kennen, der mir gefällt“, seufzte sie. „Immerhin bin ich in diese Stadt gezogen, weil ich einen Ehemann suche!“
Griseldis machte aus ihren Anliegen selten einen Hehl, woran Margreth sich erst hatte gewöhnen müssen, denn ihre frühere Herrin war äußerst verschlossen gewesen und hatte ihr nie ihr Herz ausgeschüttet. Griseldis war da anders. Zwar gehörte sie diesem Haushalt erst seit drei Wochen an und kannte Griseldis noch nicht gut, aber Margreth empfand sie als überaus eigensinnig. Noch immer konnte sich die Magd nicht damit abfinden, dass ihre junge Gebieterin nur mit ihr und einem Diener ohne Mann, Eltern oder andere Verwandtschaft in einem Haus wohnte.
„Mit Verlaub, warum wartet Ihr nicht, bis einer kommt und um Euch freit?“, wagte sie zu fragen. „Ihr seid so schön, dass es nicht lange dauern kann!“
„Da täuschst du dich. Ich habe schon viel zu lange gewartet, und musste feststellen, dass die meisten Anwärter meinen Ansprüchen nicht genügten. Entweder waren sie alt und tatterig oder jung und ohne Geld, oder aber ihr Besitz befand sich in einer entlegenen Gegend abseits jeglicher Zivilisation inmitten von Wiesen und Wäldern. Ich bin aber eine Frau, die weder in Armut noch an der Seite eines alten Mannes oder gar in der Wildnis leben will. Mainz ist doch eine lebendige und schöne Metropole mit etlichen wohlhabenden Männern im besten Alter. Da werde ich hoffentlich einen Geeigneten finden. Zumal Stadtgraf Gerhard mich unter seine Fittiche nimmt und mir in dieserAngelegenheit behilflich sein wird. Heute Abend stellt er mich einigen wichtigen Leuten vor. Damit ist der erste Schritt getan“, bemerkte sie selbstbewusst.
Margreth hatte da ihre Zweifel, aber die behielt sie lieber für sich. Es war nämlich nicht leicht, Einlass in die verschworene Gemeinschaft des Meliorats zu finden. „Verzeiht, wenn ich das frage, aber ich wundere mich schon die ganze Zeit, warum Ihr allein lebt. Habt Ihr keine Familie?“
Auf Griseldis’ hübsches Gesicht legte sich ein Schatten. „Doch, aber meine Eltern bevorzugen es, am Hofe des Kaisers zu leben. Nur behagte es mir dort nicht mehr, es ist mir einfach zu unstetig. Heinrich zieht immer durch sein Reich und ist nie lange an einem Ort. Oder er führt Krieg weitab von hier, so wie gerade in Italien. Ich sehne mich aber nach Beständigkeit. Du musst nicht denken, ich wüsste nicht, was man über mich redet. Mein Lebensstil ruft Unmut unter den Bürgern hervor, weil eine anständige Frau nicht ohne Aufsicht zu sein hat. Aber bald wird mein Bruder herkommen und bei mir bleiben, was die Zweifler beruhigen dürfte“, sagte sie in einem Ton, der keine weiteren Fragen zuließ.
Ohne Margreth eines weiteren Blickes zu würdigen, griff sie nach dem Gastgeschenk und verließ die Schlafkammer. Ihr Diener Bertram erwartete sie bereits ungeduldig am Fuß der Treppe mit einer Laterne in der Hand. Er gab sich meist wortkarg, was Griseldis besonders an ihm schätzte, denn sie
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