Das Blut von Magenza
verabscheute plapperndes Gesinde. Auch heute Abend grüßte er sie nur mit einem Kopfnicken.
„Margreth“, rief sie erneut. „Hilf mir in meine Trippen. Draußen regnet es und die Straße ist ein einziger Morast.“
Die Magd brachte ihr die hohen, hölzernen Unterschuhe und befestigte die Riemen. Sie machten Griseldis ummehrere Finger größer, sodass sie auf ihre Magd hinunterblickte.
Sie zog die Kapuze ihres Überwurfs über den Kopf, um ihr Haar zu schützen. Bertram öffnete die Tür und ging voraus, um ihr zu leuchten. Einer der Vorteile ihres Domizils war die kurze Entfernung zur Burg; ein weiterer, dass das Haus erst neu erbaut worden war und im „besseren“ Teil der Stadt lag. Noch gab es in der Großen Scheffergasse nur wenige Häuser und sie war auch nicht gepflastert, dafür aber sauberer als die anderer Viertel. Hier lebten auch deutlich weniger Ratten, da die Abflussrinne regelmäßig von den Kloakenreinigern gesäubert wurde und Tagelöhner einmal in der Woche den Unrat wegräumten. Sie luden dann ihre stinkende Fracht auf Handkarren und fuhren sie vor die Stadt, um sie dort in Gruben zu schütten. Diese Reinigungsmaßnahmen waren keine Selbstverständlichkeit, sie beruhten vielmehr darauf, dass sich nicht nur das Anwesen des Stadtgrafen, sondern auch die Residenz des Bischofs in unmittelbarer Nähe befanden.
Als sie den Eingang der Burg erreichten, blieb Bertram vor dem Tor stehen. „Lass gut sein. Ich gehe ab hier alleine weiter. Ein Diener Gerhards begleitet mich nachher nach Hause.“
Wie immer stellte Bertram keine Fragen. Er hatte sich genau wie Margreth inzwischen an die Eigenheiten seiner Herrin gewöhnt. Mit einem kaum verständlichen „Gute Nacht“ reichte er ihr die Laterne, insgeheim froh, den Abend im Wirtshaus beenden zu können.
Griseldis wartete, bis er verschwunden war und umrundete das Anwesen, bis sie an dessen Rückseite gelangte. Die Gasse hier wurde selten benutzt, da sie sehr schmal war und man beim Gehen die Wände berührte, wenn mannicht aufpasste. Griseldis blieb vor einem unscheinbaren Eingang stehen und vergewisserte sich, dass niemand in der Nähe war. Dann kramte sie den Schlüssel hervor, den ihr der Burgherr persönlich gegeben hatte, und schloss die niedrige Pforte auf. Diese ließ sich nur unter Anstrengung öffnen und quietschte laut. Das Geräusch brach sich an den dichtstehenden Mauern und Griseldis hielt erschrocken inne. Wenn sie hier weiterhin unbemerkt ein- und ausgehen wollte, musste Gerhard unbedingt die Angeln schmieren lassen.
Sie schlüpfte hindurch, schloss die Pforte hinter sich und folgte dem Geheimgang, der direkt in Gerhards Privatgemach führte. Er war wenig anheimelnd und sie rümpfte angewidert die Nase, denn es roch dumpf nach Schimmel und Moder. Bräunliches Wasser tropfte von der Decke, das sich in kleinen, brackigen Lachen am Boden sammelte. An den Wänden brannten Fackeln und beleuchteten das Gemäuer. Mäuse huschten über ihren Weg und versteckten sich mit aufgeregtem Quieken in dunklen Winkeln.
Als sie die schwere Tür am Ende des Ganges erreichte, klopfte sie laut an. Nachdem keine Reaktion erfolgte, stemmte sie sich dagegen und drückte sie auf. Die andere Seite war mit flachen Steinen verblendet, sodass beim flüchtigen Hinschauen der Eindruck entstand, es handle sich um eine gewöhnliche Mauer. Griseldis musste erst noch den Wandteppich wegschieben, der den Eingang zusätzlich tarnte, bevor sie eintreten konnte.
Der Raum war zwar verwaist, aber alles für ihr Erscheinen vorbereitet. Griseldis setzte sich in einen der beiden Sessel und streckte ihre Füße in Richtung Kamin, in dem ein kleines Feuer brannte. Ohne Zögern ergriff sie einen mit Wein gefüllten Pokal, der auf einem Tisch bereitstand, undtrank. Der Wein schmeckte vorzüglich, Gerhard wusste die schönen Dinge des Lebens zu schätzen. Während sie wartete, ließ sie ihren Blick durch das nüchtern eingerichtete Zimmer wandern. Neben einem Schreibpult enthielt es einen kastenförmigen Kleiderschrank und ein schmales Bett mit samtenem Baldachin und Vorhängen, das der Burgherr aber praktisch nie benutzte, wie sie aus einer füheren Unterhaltung wusste. Er schlief immer im Ehegemach bei seiner Frau Reinhedis. Zwei hohe Fenster zeigten auf den Palasthof, aber sie waren heute Abend mit schwerem Stoff verhängt.
Griseldis lehnte sich zurück. Sie war froh, hierher gekommen zu sein, denn in Mainz ließ sich angenehm leben – zumindest wenn man über ausreichend
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