Das Blut von Magenza
selten in die Angelegenheiten anderer einmischte, interessierte er sich nicht weiter für sie.
Bevor sie ganz aus seinem Blickfeld verschwand, sah er noch, wie sie um die Ecke bog. Auch er musste diesen Weg nehmen und folgte ihr unbeabsichtigt. Sie hatte inzwischen den vorderen Eingang erreicht und Widukind erwartete, dass sie weiterging, stellte dann aber fest, dass sie das Gebäude wieder betrat. Nun wurde seine Neugierdoch geweckt und er fragte sich, warum sie die Burg zuerst durch den versteckten Seiteneingang verließ, nur um sie dann wieder durch die Hauptpforte zu betreten.
Als sie den Torbogen durchschritt, fiel Licht auf ihr Gesicht. Widukind hatte sie noch nie gesehen, bemerkte aber, dass sie jung und schön war. Jetzt ahnte er, wer sie sein könnte. Wenn die Gerüchte stimmten, die seit einiger Zeit kursierten, dann musste sie Griseldis sein, die erst seit Kurzem in Mainz wohnte und der man allerlei andichtete, da sie bis auf ihre Magd und ihren Diener allein lebte.
Widukind gab selten etwas auf Gerede, doch ausnahmsweise war er bereit, es zu glauben. Ihr Verhalten erschien ihm äußerst ungewöhnlich und geheimnisvoll. Ihm kam kurz der ungehörige Gedanke, sie könne die Geliebte des Stadtgrafen sein, da sie sich vorhin aus seinem Anwesen geschlichen hatte. Aber wirklich vorstellen konnte er sich das nicht, denn Gerhard war ein mustergültiger Gatte, der seine Frau anbetete und sie abgöttisch liebte. Reinhedis erwartete zudem im Frühling ihr drittes Kind und Gerhard erzählte jedem mit stolzgeschwellter Brust, welch gute Mutter und hingebungsvolle Gemahlin sein Weib doch sei. Aber welche Erklärung könnte es sonst für Griseldis´ heimlichen Besuch geben?
Widukinds Neugier verlangte gestillt zu werden. Deshalb entschloss er sich, in das Gasthaus Zum wilden Eber statt nach Hause zu gehen. Es gehörte seinem Freund Mathes und dessen Frau Sanne. Dort gab es nicht nur das beste Bier der Stadt, sondern auch die frischesten Neuigkeiten, wofür vor allem Sanne zuständig war. Sie brachte sie immer vom Markt mit und wusste stets als eine der Ersten, wem was widerfahren war, wer wen übers Ohr gehauen hatte und wer in fremden Revieren wilderte. Außerdem war dasWirtshaus bei den Steinmetzen besonders beliebt und Widukind hoffte, dort einige seiner Zunft anzutreffen.
Zum wilden Eber
Als er die Tür zum schummrigen Schankraum aufstieß, wandten sich ihm die Köpfe zu. Er war daran gewöhnt, denn seine hünenhafte Erscheinung zog immer wieder die Blicke auf sich. Widukind schüttelte seine Kappe ab und trat ein. Mit fester Stimme grüßte er in die Runde und schaute sich um. Enttäuscht stellte er fest, dass ausgerechnet heute kein Steinmetz anwesend war. Wahrscheinlich zechten sie im Grünen Baum.
Dafür kam Mathes, der Wirt, sofort zu ihm. „Welch ehrenwerter Besuch! Du warst schon länger nicht mehr hier. Was treibt dich um? Deine leere Küche oder dein verwaistes Bett?“, neckte er ihn.
Widukind überging die Frotzelei seines alten Freundes. „Besser ein leeres Haus als ein zänkisches Weib mit spitzer Zunge. Und wenn ich ein warmes Bett brauche, finde ich eins!“, entgegnete er selbstbewusst. „Nein, mich hungert nach dem Bohneneintopf deiner Frau. Und gegen ein paar Bier hätte ich auch nichts einzuwenden.“
„Komm, setz dich zu uns, Steinmetz“, forderte ihn Arnulf auf. „Bringst du Neuigkeiten aus der Dombauhütte? Da du am Gotteshaus arbeitest, kennst du doch sicher jedes Beichtgeheimnis“, ulkte er.
„Jetzt übertreib’ mal nicht. Unsere Arbeit ist oft so laut, dass wir nicht einmal unser eigenes Wort verstehen“, entgegnete Widukind lachend. „Und Neuigkeiten gibt es auch nicht viele, außer dass der Bischof krank ist, was bereits die ganze Stadt weiß. Aber ich werde bald mit meinemMeisterstück anfangen. Heute wurde der passende Stein geliefert“, berichtete er mit gewissem Stolz, als er sich zu Arnulf und seinen Zechkumpanen Bardo und Johannes setzte. Alle drei waren Goldschmiedegesellen und umgängliche Burschen, mit denen Widukind hin und wieder zu tun hatte.
„Na, das sind doch schöne Aussichten, dann bist du bald kein Geselle mehr“, meinte Bardo.
„Und wie steht es bei euch?“, wollte er wissen.
„Über mangelnde Arbeit können wir nicht klagen. Gerade zu den Feiertagen lassen die Herren großzügige Geschmeide für ihre Damen fertigen. Vor allem, wenn sie das schlechte Gewissen plagt“, feixte Bardo. „Ihr wisst schon, wenn sie sich außerhalb ihres ehelichen
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