Das Blutbuchenfest
mitnehmen können, die machte auf solche Männer immer Eindruck. Der Mann wollte sich alles überlegen, auch mit dem Vorstand sprechen. Festes hatten sie nicht vereinbart, aber bezahlt hatte er anstandslos. Wereschnikow war längst dabei, seine Sorgen verblassen zu sehen. Sie waren ganz unnötig gewesen.
Und um Maruscha brauchte er sich keine Gedanken zu machen, die hätte ohnehin keine Zeit gehabt. Sie war stets heilfroh, wenn er aus dem Haus ging, so gern sie ihn mochte, denn Herr Breegen hatte unter der Woche nur mittags für sie Zeit.
Sechstes Kapitel
Vorsicht mit der Karaffe
Das Leben war unsicher, unvorhersehbar. Am unsichersten war, was man selber wollte. Ivanas Grundsatz, mir oft dargelegt, hieß: Nicht für Frauen putzen. Frauen sind widerwärtig, unerträglich. Frauen trauen nie einer Frau. Frauen sind gemein zu Frauen. Vom Kontrollwahn befallen. Wenn man die Wohnung gestaubsaugt hat, bücken sie sich – Frauen, die sich sonst nach gar nichts bücken! – und gucken unter das Sopha. Was glauben sie wohl dort zu finden? Nie gucken sie darunter, aber solange man mit dem abgeschalteten Staubsauger daneben steht, müssen sie druntergucken. Und dann gibt es ein Gezeter. Ivana verkürzte hier etwas. Es war nicht die Frau an sich, die zeterte, Frau Markies war viel zu kalt und nüchtern, um zu zetern. Sie selbst war es, die dann in Zorn geriet, oder noch schlimmer, den Zorn herunterschluckte, mit Tod im Herzen den Staubsauger wieder aufheulen ließ und im Magen einen Krampf spürte, der sie noch im Bett am Einschlafen hinderte.
Bei Frau Markies war ihre erste Stelle in Frankfurt, aber nicht deshalb hielt sie ihr die Treue. Die Markies imponierte ihr. Sie hatte das sichere Gefühl, die Markies sei mächtig, obwohl sie von deren Geschäften doch gar nichts mitbekam und noch weniger verstand – die Stimme war es, mit der die Frau sich am Telephon meldete, die Tonlage, in der sie verhandelte, diese Zähigkeit und Beherrschtheit, vor allem aber das Bild, von Ivana aus den Augenwinkeln beobachtet, das sich ergab, wenn Frau Markies nach längerem Gespräch den Hörer auflegte und die grauen Augen überlegend in die Ferne richtete, während sie das Gespräch rekapitulierte, mit einem unergründlichen Gesicht, und dann unversehens zur Tat schritt, einem neuen Telephonat, das aus dem ersten hervorwuchs und die Früchte trug, die im ersten Gespräch gesät worden waren. In solchen Augenblicken wurde Ivana regelrecht von Ehrfurcht ergriffen. Ihr war, als regiere Frau Markies die Welt. Und solchen Personen war etwas zuzugestehen. Ivana fühlte sich selbst nicht machtlos und hatte ein ressentimentfreies Verhältnis zu Hierarchien – echten jedenfalls: Wer ihr gegenüber als der Stärkere auftreten wollte, der hatte das täglich unter Beweis zu stellen. Die Leere, die um die Markies herum herrschte, die weiten hallenden Räume, in denen jedes Telephonklingeln so nachdrücklich schicksalhaft klang, bewiesen gleichfalls, daß diese Frau aus anderem Holz war als die Sammlerinnen von tausend Sächelchen, die liebevoll abgestaubt zu werden begehrten. Zweimal im Jahr leerte Frau Markies mit unbewegter Miene ihre gesamten Kleiderschränke, gnadenlos flog dann heraus, was sie nicht mehr tragen würde, oft nur wenig gesehene Sachen. Über die Preise, die sie einmal gekostet hatten, zerbrach Ivana sich gleich gar nicht erst den Kopf. Durch den entschiedenen Griff in den Schrank, der ein solches Kleid hervorholte, es rasch und schroff ins Licht hielt und dann auf den Boden warf, wurde es augenblicklich entwertet, Kostümplunder. Vieles davon holte eine Händlerin ab, mit der Frau Markies ebenso hart verhandelte wie mit den Unsichtbaren am Telephon. Manchmal bekam Ivana etwas, wenn etwa ein Fleck darauf war, der nicht herausging, aber eigentlich kaum auffiel, und manchmal auch intakte Sachen, wenn der Markies plötzlich danach war. Das kam aber alles nach Bosnien. Ivana zog solches Zeug nicht an. Sie hatte eine Abneigung, etwas von Markies Getragenes anzuziehen. Zu ihrer Ehrfurcht gesellte sich ein ihr kaum bewußter physischer Widerwille. Waren es die Markiessche Starkknochigkeit, die Athletenschultern, was ihr mißfiel? Oder die sorgfältigen Rasuren, denen sie sich unterzog, bei offensichtlich kräftigem Haarwuchs auf Armen und Beinen? Empfand Ivana aus bäuerlich-bosnischer Reminiszenz solche Enthaarungen als frivol oder sittenlos, oder klangen da noch andere Seiten in ihr an, wenn sie den Markiesschen Rasierapparat von
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