Das Blutgericht
Aussichtspunkt, aber danach stand ihm gerade nicht der Sinn. Die Hände in die Hüften gestemmt, betrachtete er die Überreste seines Porsche.
Wir hatten an einem Parkplatz am nördlichen Ende des Jupiter Inlet gehalten, neben einem über dreißig Meter hohen Leuchtturm aus Terrakotta, der den Booten die Einmündung des Loxahatchee River signalisierte. Der Leuchtturm selbst stand noch mal auf einem gut fünfzehn Meter hohen Hügel. Ich hatte also einen echten Orientierungspunkt für unser Treffen gewählt. Rink kam einige Minuten nach Marianne und mir dort an.
Wir standen nebeneinander, als Rink noch sein Lieblingsspielzeug betrauerte. Wir blickten die Küste entlang nach Süden, betrachteten, wie die Autos über die Federal Bridge zischten und den noch stärkeren Verkehr auf der A1A-Highway-Brücke dahinter. Auf der anderen Seite des Wassers befand sich ein weiterer Yachthafen. In Florida konnte man wohl nicht leben, ohne ein Boot zu besitzen. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich Mangroven, aber in der Dunkelheit sahen sie auch nur wie ein Haufen verdrehter, ins Wasser geworfener Äste aus. Was sie im Grunde genommen ja auch waren.
Der Parkplatz befand sich neben einer Touristeninformation, die zum Leuchtturm gehörte. Tagsüber wimmelte es dort von Autos und knipsenden Urlaubern. Aber um diese Uhrzeit waren wir hier die einzigen Menschen. Ich hatte den Porsche unter einer Gruppe von Palmen abgestellt, damit man ihn von der nahe gelegenen Straße aus nicht sehen konnte. Rink hatte neben mir geparkt. Der große graue Ford Crown Victoria, mit dem er gekommen war, war nicht so ramponiert wie der Porsche und hatte auch nicht dessen zahllose Einschusslöcher. Nichtsdestotrotz hätten seine lädierte Stoßstange und der eingedrückte Frontscheinwerfer jeden herumschnüffelnden Cop darauf gebracht, die beiden Wagen sofort mit der Schießerei auf dem nahen Neptune Island in Verbindung zu bringen.
»Was geschieht jetzt?«, fragte Marianne.
»Wir bringen Sie an einen sicheren Ort«, antwortete ich.
»Aber dieser Geisteskranke ist tot, oder? Sagte Ihr Freund nicht, er hätte ihn von der Brücke ins Meer gerammt?«
»Genau das habe ich getan«, sagte Rink, der zu uns herübergekommen war. »Aber damit hat die Gefahr für uns noch kein Ende.«
»Wenn er tot ist, können wir dann nicht einfach zur Polizei gehen?«
»Noch nicht«, erklärte ich ihr. »Wir wissen immer noch nicht, wer Ihnen den Auftragskiller auf den Hals gehetzt hat. Wer das getan hat, könnte es noch ein weiteres Mal versuchen.«
»Noch ein Grund mehr, der Polizei alles zu erzählen. Warum müssen wir denn immer wegrennen? Er ist es doch, der bestraft werden sollte, nicht Bradley und ich.«
»Da haben Sie Recht. Aber wir können die Polizei noch nicht benachrichtigen.«
»Warum?«, fragte sie.
»Die würden Sie uns wegnehmen«, erklärte Rink. »Und das wollen wir nicht. Man hat uns beauftragt, Sie zu beschützen, und das können wir nicht, wenn man Sie von uns trennt.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte sie. Dann sah sie mich an. »Gestern auf Baker Island sagten Sie, dass Sie gekommen wären, um mir zu helfen. Aber ich verstehe nicht, woher Sie wissen konnten, dass ich in Gefahr bin. Umsonst werden Sie das Ganze nicht machen. Irgendjemand muss Sie bezahlen. Wer hat Sie geschickt?« Dann schloss sie die Augen und schüttelte den Kopf. »Nein. Sagen Sie nichts. Ich weiß, wer es sein muss.«
Also sagte ich nichts.
»Wie konnte mein Vater wissen, dass das hier passieren würde? Nein, warten Sie … Er wusste es nicht. Er hat Sie geschickt, um mich von Bradley wegzubringen. Ich kann es einfach nicht fassen, dass er uns nicht endlich in Ruhe lässt.«
»Es spielt keine Rolle, wer uns geschickt hat«, sagte Rink. »Tatsache ist, dass wir hier sind, und das sollte Sie schon etwas beruhigen. Wir werden Sie nicht allein lassen, ehe wir sicher sind, dass diese verdammte Angelegenheit ein Ende gefunden hat.« Er drehte sich weg und betrachtete wieder seinen Porsche. Er ließ die Mundwinkel hängen. Ich sah ihn an. Für meinen eher gleichmütigen und nicht besonders redseligen Freund war das schon ein gewaltiger Vortrag. Wahrscheinlich hatte er ihn ebenso für mich wie für Marianne gehalten.
»Tut mir leid wegen deinem Schlitten, Rink«, sagte ich zu ihm.
Er zuckte mit den Schultern. »Ist schon okay, Hunter. Ich wollte ihn sowieso umtauschen. Kommt, Leute, wir machen uns besser auf den Weg.«
Wir hatten nicht über den Wagen gesprochen. Jedenfalls
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