Das Blutschwert
Jägerin wird ruiniert sein, falls man mir diese Bemerkung gestattet.
Von meiner geliebten Justine, ihren vielen Kämpfen - ihren Siegen und der Niederlage - wird außer diesen Worten, die ich jetzt schreibe, nur ihr Grabmal auf dem Friedhof übrig bleiben.
Ich kann es nicht ertragen. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass die Mächte der Finsternis uns am Ende doch geschlagen haben, nach allem, was Justine erlitten und durchgemacht hat.
Und ich - um einen Moment an mich selbst zu denken - werde das sein, was Justine und ich so oft gemeinsam verspottet haben: eine vornehme englische Lady, gekleidet und herausgeputzt wie eine nutzlose Porzellanfigur. Ich werde meine Tage mit Tee und Tanz und Klatsch verschwenden. Ich werde vor geben, nichts von Waffen und Kämpfen zu verstehen, nicht zu wissen, wie man Vampire enthauptet oder ihnen einen Pflock durch das Herz treibt. Alles, was ich gelernt habe, um Justine als Wächterin zu dienen, werde ich vergessen müssen. Ich werde so nutzlos sein wie eine pensionierte Gouvernante.
Was war das? Jemand hat ein Steinchen gegen das Fenster geworfen. Kommt etwa jemand, um seinen Respekt zu erweisen? Jemand, der weiß, dass Justine, die Jägerin, nach einem gemeinen Überfall im Sterben liegt?
In unserer Gesellschaft ist es Justine nicht möglich, Besucher zu empfangen - die Umstände ihres Lebens und die gesellschaftlichen Zwänge, denen junge Damen unterliegen, sprechen dagegen. Wie soll sie einem jungen Mann auch erklären, dass sie hinaus in die Nacht ziehen muss, um Dämonen zu erschlagen? Oder dass die Lady, die letzten Dienstag als ihre Tante auftrat, einen Zauberer in eine andere Dimension verbannte, wo er den Feuertod starb?
Und dennoch, welchen Sinn haben all unsere Anstrengungen gehabt und welchen Nutzen unsere Opfer?
Wird sich dieser Besucher als jemand entpuppen, dem ich diese Gedanken anvertrauen kann?
Das Dienstmädchen klopft an die Tür und wartet auf meine Erlaubnis, einzutreten. Ich werde meine Feder jetzt beiseite legen und sie hereinbitten...
Ich weiß nicht, ob ich vor Triumph oder vor Furcht weine, aber meine Hände zittern so sehr, dass ich kaum die Feder übers Papier führen kann. Unser Besucher war kein anderer als Lord Byron, der berühmte Poet und Frauenheld. Er war tadellos - wenn auch ein wenig exzentrisch - gekleidet.
Mein Erstaunen war sehr groß, denn er ist seit fünf Jahren nicht mehr in England gewesen. Ich war außerdem sehr verängstigt, denn ich muss gestehen, dass - wie ich früher schon dargelegt habe - Justine und ich in der Vergangenheit den Verdacht hegten, dass Byron selbst ein Vampir ist. So viel spricht dafür - sein bleicher Teint, seine seltsame Macht über Menschen und seine extremen Leidenschaften.
Jedenfalls hat Justine Byron noch nie zuvor getroffen, und ich bin ihm nur ein einziges Mal begegnet. Letztes Jahr beim Mittsommerfest. Doch plötzlich steht er wieder vor mir, in dieser Nacht, die vielleicht Justines letzte ist, um mir bestimmte Bücher und Fragmente uralter orientalischer Schriftrollen zu übergeben! Mit einem sonderbaren Lächeln erzählte er mir von seiner hohen Wertschätzung für »unser Werk« und machte mehrere versteckte Andeutungen über Justines »besondere Fähigkeiten«. Deshalb komme ich zu der Schlussfolgerung, dass er alles weiß, obwohl ich es nicht beschwören kann.
Aber still jetzt! Justine erwacht und verlangt nach Wasser. Mein Mädchen, meine Jägerin!
Ich würde mein Leben dafür geben, wenn ich ihres retten könnte.
7. Januar 1817
Justine hat die letzte Nacht überlebt, und obwohl ich müde bin, werde ich ihr von den wundervollen neuen Entdeckungen berichten! Es scheint, dass die Legende, über die wir uns so oft den Kopf zerbrochen haben, tatsächlich wahr ist. Es handelt sich dabei um die Legende der Vergessenen Jägerin. Im Gegensatz zur tragischen Normalität - ein Wächter überlebt seine Jägerin -, soll diese Jägerin ganz am Anfang ihrer Laufbahn ihren Wächter verloren haben. Wir wissen nicht, wer die Jägerin war oder was dem Wächter zustieß, aber wir haben uns oft darüber den Kopf zerbrochen.
Fast alle Schriftstücke aus Byrons Kiste wurden ins Englische übertragen, aber sie sind ein einziges Durcheinander. Es gibt eine Reihe von Fragmenten mit Passagen, die sich auf verschiedene, teils ins Englische, teils ins Italienische übersetzte Schriftrollen beziehen. Andere sind wiederum auf Lateinisch verfasst. Zum Glück beherrsche ich diese beiden Sprachen leidlich. Es
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