Das boese Blut der Donna Luna
betreten musste. Er saß da, und seine kleinen, harten Augen schossen unermüdlich zwischen Fattori und Nelly hin und her.
»Und, Balmir, wie geht’s deinen Mädchen?«
»Welchen Mädchen? Ich bin ein anständiger Mann, Dottore, ich mache nichts Unrechtes mehr, ich arbeite von morgens bis abends als Maurer, hab eine Aufenthaltsgenehmigung. Was soll das heißen, wie geht es ihnen? Wem?«
»Dieser hier zum Beispiel geht es nicht so besonders, seit sie den Kopf verloren hat. Hast du eine Ahnung, wer ihn ihr so verdreht hat?«
»Aber Dottor Fattori, Sie haben den Schuldigen doch schon geschnappt. Auch ich lese Zeitung.« Balmir Rafsi spielte den Beleidigten. Sein Frettchengesicht war die reinste, zu Unrecht verdächtigte Unschuld.
»Schon möglich. Bislang wird er des ersten Mordes verdächtigt. Doch das zweite Mädchen wurde noch nicht identifiziert. Ich dachte, du hättest vielleicht eine Idee.«
»Ich? Natürlich nicht, Dottore. Mit gewissen Kreisen habe ich nichts mehr zu tun.«
»Du sagst, du hast eine Aufenthaltsgenehmigung. Dann solltest du zusehen, dass du sie behältst, Balmir. Indem du beispielsweise der Polizei nicht Informationen vorenthältst, die zur Aufklärung eines Mordes führen könnten«, schaltete Nelly sich ein und musterte ihn kalt. Balmir warf ihr einen feindseligen Blick zu.
»Ich weiß nichts und habe nichts getan.«
»Niemand beschuldigt dich. Wir wollen lediglich wissen, wer das Mädchen ist.«
»Und wieso fragen Sie das ausgerechnet mich?«
»Wir kommen so oder so dahinter, Balmir. Und wenn du etwas wusstest und es uns verschwiegen hast, sähe es dumm für dich aus.«
Balmir schwieg einen Moment. Er dachte nach. Dann überwand er sich widerstrebend.
»Ein Landsmann, den ich nur vom Sehen kenne, hat mir gesagt, dass seine Freundin verschwunden ist. Sie heißt Samira. Seit ein paar Tagen ist sie weg. Er meinte, die Tote in der Zeitung ... könnte sie sein.«
»Ach ja? Samira, und weiter? Und wieso ist der Kerl nicht zu uns gekommen? Wie heißt er?« Nelly wurde sauer.
»Ich weiß nicht, wie der heißt. Und den Nachnamen seiner Freundin kenne ich auch nicht. Ihn hab ich nur ein paar Mal gesehen, keine Ahnung, wo der wohnt. Kann ich jetzt gehen?«
Fattori hatte Nelly begleitet, um sich unter den Prostituierten rund um die Via di Francia umzuhören. Sie hatten das Foto von der Leiche des zweiten Opfers herumgezeigt. Ein Mädchen hatte es sich zitternd angesehen und war in Tränen ausgebrochen. Sie war zutiefst verängstigt.
»Samira«, stammelte sie schluchzend und fuhr dann in gebrochenem Italienisch fort: »Samira Calvaj ... sie sehen aus wie Samira.« Am Abend vor dem zweiten Fund war ihre Freundin Samira in ein blaues Auto gestiegen, vielleicht ein Kleinwagen. Lena Oxa, die Zeugin, kannte sich mit Automarken nicht aus. Ihre Freundin war nicht zurückgekehrt. Sie selbst las keine Zeitung, doch eine ihrer Kolleginnen, die besser Italienisch konnte, hatte ihr von der zweiten ermordeten Frau, die beim Forte Begato gefunden worden war, erzählt.
»Ohne Kopf«, sagte sie schaudernd. Sie habe sofort an Samira gedacht. Nein, sie sei nicht zur Polizei gegangen. Sie habe Angst vor der Polizei. Doch Nelly und Fattori wussten, dass sie in erster Linie vor Balmir Angst hatte. Die Aussicht, dass sie die beiden Polizisten zur Identifizierung ins Leichenschauhaus würde begleiten müssen, schien ihr gar nicht zu behagen.
Es war einfach viel zu leicht gewesen, geradezu lächerlich. Klar, er hatte es drauf, hatte alle Einzelheiten abgecheckt, aber es war trotzdem lächerlich einfach gewesen. Enttäuschend. Eindeutig unter seinem Niveau. Auf seinen Knien lag »Il Secolo XIX«, aufgeschlagen auf der Seite, auf der stand, dass Gianluca Sonni womöglich angeklagt werden würde. Morden und dann den Verdacht auf jemand anders lenken ... ein Kinderspiel. Diese Schwachköpfe von der Polizei hatten einen Gegenspieler wie ihn einfach nicht verdient. Es war an der Zeit, die Fäden wieder in die Hand zu nehmen und ihnen ihre Unfähigkeit unter die Nase zu reiben. Sie lächerlich zu machen. Die Spannung, ehe es losging, diese wohlige Erregung, die vom Unterleib kribbelnd bis in die Haarspitzen aufstieg, das absolute Gegenteil von Langeweile, das Gegengift gegen die Langeweile, die Leere, die Verzweiflung, die ihm so lange das Leben vergällt hatten, fehlte ihm bereits. Er selbst hatte nicht geglaubt, dass die Planung und Durchführung von Verbrechen ihn dermaßen befriedigen würde. Seinen Hunger nach
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