Das boese Blut der Donna Luna
Ebene sind mir Frauen sehr viel lieber als Männer, die in meinen Augen grob, brutal und egoistisch sind, und sehr vorhersehbar. Nein, ich bin nicht verheiratet. Ja, ich liebe jemanden.«
Zum ersten Mal an diesem Abend wandte Palmieri sich ab, um seine Gefühle vor Nellys gnadenlosem Blick zu verbergen.
»Und, ist es eine glückliche Liebe?«
»Glücklich? Eine glückliche Liebe?«
Ah, du wiederholst die Frage, um Zeit zu schinden, was? Pfeife!
»Ganz genau. Ist Ihre Liebe glücklich, Alessandro?«
Nelly sprach seinen Namen hart aus. Palmieri sah auf und blickte sie an. Das langjährige Training in Selbstkontrolle zahlte sich aus. Er versuchte auszuweichen.
»Welche Liebe ist schon glücklich, Nelly? Unglück, Verlustangst, das Einander-Nachlaufen machen die Liebe nun einmal aus. Der Zweifel, die Qual. Eine glückliche Liebe ist eine tote Liebe, finden Sie nicht?«
»Nein, das finde ich gar nicht. Vielleicht reden wir über zwei verschiedene Dinge, Sie vom anfänglichen Verliebtsein und ich von der befriedigenden Beziehung, in der zwei Menschen einander mit gleicher Leidenschaft und in gegenseitigem Vertrauen gleich viel geben und nehmen. Ihre Liebe ist wohl noch jung, oder irre ich mich?«
»Sie irren sich. Meine Liebe ist lange, ewige Pein.«
Diesmal hatte sich Alessandro Palmieri ins Niemandsland vorgewagt, doch er hatte sich sofort wieder im Griff, während Nelly angesichts dieses unerwarteten Geständnisses irritiert die Stirn runzelte.
Der Profiler machte dem Wirt ein Zeichen, bestellte einen Bacardi und sah Nelly fragend an.
»Einen Four Roses, danke. Ohne Eis.«
Sie nippten an ihren Gläsern und musterten einander. Er warf als Erster hin: »Schön, nun haben wir einander ein wenig hinter die Kulissen unserer Seelen schauen lassen, ich vielleicht sogar ein bisschen mehr als Sie, Nelly. Können wir jetzt vielleicht zu unserem anderen Problem übergehen?«
»Alessandro, sehen Sie mal, der Mond! Er sieht aus wie ... blutbesprenkelt.«
Palmieri erschauerte leicht und sah zur Mondsichel auf, die unmerklich über das Himmelszelt wanderte. Auf ihrer Oberfläche waren fransige, rötliche Reflexe zu sehen, die wie Blutspritzer aussahen. Gebannt starrte er hinauf und konnte die Augen nicht abwenden.
Nelly meinte einen durchdringenden Blick auf sich zu spüren. Sie sah sich um, doch an den Nebentischen saßen nur zwei Pärchen, außerdem einige Vierer- und Fünfergrüppchen, die lebhaft in von Gelächter unterbrochene Gespräche vertieft waren, und niemand sah zu ihnen herüber. Sie wendete den Kopf und blickte zu dem dunklen Gestrüpp, das die Felswand am Ende der Terrasse bedeckte, die Treppe flankierte und bis zu dem Sträßchen hinunterreichte. Das Gefühl war beklemmend. Es war kaum etwas zu sehen. Sie musste daran denken, dass der Mörder von Palmieri wusste und vielleicht auch von allen anderen im Team, zumindest von den exponierteren, also auch von ihr. War es möglich, dass er sie beobachtete? Dass er ihnen bis hierher gefolgt war?
Palmieri schien ihre Gedanken zu lesen. Mühsam riss er den Blick von der Mondsichel los und sah sie an. In seinen Pupillen blieb ein rötlicher Schimmer zurück und mischte sich mit dem Flackern der Kerze.
»Ob er uns gefolgt sein könnte? Natürlich. Das wäre sogar typisch. Gegenwärtig sind wir ebenso ein Teil seiner Vorstellungswelt, seiner Phantasie, wie die Opfer selbst.«
»Glauben Sie, dass der Mond einen Einfluss auf die, wie Sie es nennen, Vorstellungswelt unseres Freundes haben könnte?«
»Der Mond ist ein in Filmen und Büchern allzu oft missbrauchter Topos. Natürlich hat unser Trabant einen großen Einfluss auf die Natur und seit jeher auf unsere Phantasie. In diesem konkreten Fall ... nein, ich persönlich glaube, der Mond hat nichts damit zu tun, es handelt sich um eine zufällige Koinzidenz. Oder der Mörder könnte bewusst darauf abgezielt haben, um eine falsche Fährte zu legen. Nun ja, letztendlich ist auch nicht ausgeschlossen, dass Sie recht haben. Aber sagen Sie mir, Nelly, und diesmal im Ernst – wie sind Sie darauf gekommen?«
»Das hatte ich Ihnen doch schon gesagt. Durch einen Blick in den Kalender.«
Er musterte sie wachsam und feindselig, wie an jenem Tag in seiner Villa.
»Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen nicht glaube?«
Nelly überlegte kurz, ob sie ihm von Claire erzählen sollte, von der Nacht in der Savanne. Dieser Mann war womöglich der Einzige, der sie nicht auslachen würde.
In dem Augenblick meinte sie, einen
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