Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)
seltsamen Junggesellen– Cousin? Onkel?–, der ihn zu dem Antragsgespräch begleitet hatte.
» Wie lange ist es her, dass wir diesen Namen gesehen haben? Ich habe seit… ja seit wann? Seit fünfzehn, sechzehn Jahren nicht mehr an ihn gedacht. W as kann das damit zu tun haben, dass sie Edie entführt?« W ie konnte Rowan ihr erzählen, dass er den Namen erst vor wenigen Tagen gelesen hatte, geschrieben von der Hand ihrer Mutter? W ie konnte er das, ohne ihr alles zu erzählen? Bis er wusste, was es zu bedeuten hatte, bis er den alten Albtraum mit diesem neuen in Zusammenhang bringen konnte, musste er den Mund halten.
» Eine Cousine? Eine Ehefrau?«, drängte Sophie. » Aber dann… W arum schickt er… W o ist er? W as glaubst du? Dad, sag etwas!«
Rowan schüttelte heftig den Kopf, als müsse er die falschen Gedanken losrütteln, damit die richtigen Platz zum Atmen hatten.
» Ich meine, glaubst du, Felix weiß, wer das ist? W er Darcy Kellaway ist?«
» Ich weiß es nicht. W ir haben sehr sorgfältig darauf geachtet, sämtliche Details über Kellaway von ihm fernzuhalten. Nie im Leben würde Felix sich mit jemandem einlassen, der irgendetwas mit ihm zu tun hat, wenn er wüsste, was das bedeutet. Nein, ich bin sicher, er ist genauso ratlos wie wir. Und, Sophie, es tut mir leid, ich weiß nicht, was das bedeutet, ich habe nicht die leiseste Ahnung. Die Polizei wird uns sicher helfen.«
Die Standuhr schlug Mitternacht.
» Wo bleibt sie denn?« Sophies Stimme wurde zu einem Kreischen, das den Glockenschlag übertönte. » Wo sind die Hubschrauber, die Hunde? Blaulicht, Suchtrupps?«
» Sie werden schon unterwegs sein«, sagte Rowan. Er sprach im Brustton der Überzeugung, aber er fragte sich, ob es wirklich schon sein konnte. Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, aber tatsächlich war es erst zehn Minuten her, dass W ill und Matt zusammen weggefahren waren. Auf seinem geistigen Abakus klickten die Perlen. Es konnte bis zu fünf Minuten dauern, bis man ein zuverlässiges Telefonsignal fand, noch einmal fünf Minuten für das Gespräch, und der Himmel wusste, wo der nächste Polizeihubschrauber stationiert war. In Exeter? W ie lange dauerte es, um ihn zu bemannen und zu starten? Die einzige Polizeiwache, die ihm einfiel, war auf der anderen Seite von Ottery, ein kleines Cottage eigentlich, ein besserer W achtposten, und sicher waren dort heute, in der lebhaftesten Nacht des Jahres, alle unterwegs. V ielleicht konnte man sie unverzüglich alarmieren, aber die Straßen rund um die Stadt würden verstopft sein, denn die Leute fuhren nach dem Fest nach Hause. Auf diesen einspurigen Landstraßen und bei diesem Nebel konnte ein Streifenwagen nicht mit Höchstgeschwindigkeit daherrasen, wie er es in der Stadt könnte. Also vielleicht fünf Minuten für das Telefonat und sicherheitshalber noch einmal zwanzig. Sie könnten in zehn Minuten hier sein, vielleicht auch in einer V iertelstunde. » Bis V iertel nach sind sie bestimmt da«, sagte er zu Sophie.
Um V iertel nach zwölf, beim nächsten Glockenschlag. Fünfzehn Minuten, neunhundert Sekunden. Ein Zeitabschnitt, den man bewältigen und überleben konnte. Bis dahin würde er den Glauben aufrechterhalten können, dass die Ankunft der Polizei kein Ende an sich bedeutete, sondern das Ende dieser ersten Phase des Albtraums. Seit Lydia krank war, hatte Rowan sich die Zeit in solche Abschnitte eingeteilt. Mit einer Tragödie konnte man nur umgehen, indem man sie in winzige Einheiten aufteilte und den ganzen V organg in Zeitblöcke zerlegte: Besuchszeiten, die Zeit bis zum Eintritt des Todes, die Zeit zwischen Tod und Bestattung, die Dauer der Fahrt zum Krematorium, die Kluft zwischen ihrer Totenfeier und dem Ende seines eigenen Lebens.
Der Schweiß verwandelte sein Hemd in eine zweite Haut, aber er behielt Pulli und Jacke an, um jederzeit bereit zu sein.
Sophie fing schon wieder an, unter den Sitzpolstern des Sofas zu suchen, als seien die beiden V erschwundenen dort versteckt wie alte Münzen und als sei es nur eine Frage von Gründlichkeit und Beharrlichkeit, sie zu finden. Rowan faltete den Führerschein immer wieder zusammen, bis er ein kleines V iereck war. Er faltete ihn auseinander und wiederholte den V organg. Er zählte sechs Halbierungen und fragte sich, ob es denn stimmte, dass man kein Blatt mehr als sieben Mal zusammenfalten konnte. W ieder schüttelte er den Kopf, noch heftiger jetzt. W ieso rannten seine Gedanken davon wie ungehorsame Kinder? Auf dem Display
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