Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)

streifte die Kapuze ab. Irgendjemand in dem Trubel rief: » Halloween war letzte Woche, Kumpel«, und ringsum wurde gelacht, aber es war unmöglich festzustellen, wo der Übeltäter war. Felix’ entblößtes Gesicht bekam einen bestürzten Ausdruck, und Sophie überkam eine Woge des beschützerischen Zorns, der sie auch erfasste, wenn einer ihrer Söhne aus der Schule kam und berichtete, dass ein großer Junge ihn herumgestoßen hatte.
    » Leckt mich am Arsch, ich gehe in den Pub«, sagte Felix.
    » Oh, Fee …«, sagte Tara, aber er war schon weg und drängte sich zwischen den Leuten hindurch in Richtung Lamb and Flag. Vor dem Eingang standen sie in mehreren Reihen dicht gedrängt, aber er zerteilte die Menge wie Moses das Rote Meer.
    » Ich gehe mit und passe auf ihn auf«, sagte Matt. Er hob Charlie von den Schultern und übergab ihn an Will, der ihn auf den Arm nahm.
    Das Verhältnis von Erwachsenen und Kindern in ihrer Gruppe hatte sich verschoben, aber die entscheidende Eins-zu-eins-Relation war noch nicht erreicht. Der Rest der Familie machte sich auf den Weg zur Kirmes, wo man besser sehen konnte: Wärme, Licht und sogar der Lärm verbündeten sich hier gegen den Nebel. Sie kauften Hotdogs und Zuckerwatte für die Jungen und gaben ihnen genug Geld, um so viel Karussell zu fahren, dass ihnen alles wieder hochkam. Toby und Leo fingen an, sich um eine Pfundmünze zu prügeln.
    » Das ist meine, du Arsch!«, rief Leo.
    » Leo!« , sagte Sophie. » Was ist das für eine Ausdrucksweise? Man sagt Gesäß .«
    Die Jungen brachen in entsetztes, entzücktes Gelächter aus. War das nicht das Erste gewesen, das sie beim letzten Mal verloren hatte– ihr Humor? Und war seine Rückkehr nicht das erste Anzeichen dafür gewesen, dass es ihr wieder besser ging?
    » Kommt ihr mit aufs Karussell?« Tara nahm Charlie bei der Hand und winkte den zankenden älteren Brüdern mit einem Fünfer zu. Dabei zwinkerte sie Sophie und Will über die Schulter hinweg theatralisch zu. Rowan entdeckte jemanden, den er kannte. Er ging hin, um mit ihm zu sprechen. Er musste brüllen, um die wütende Tanzmusik zu übertönen, die bei den Fahrgeschäften dröhnte. Sophie sah an der Neigung seines Kopfs und an der Hand, die der andere ihm auf den Arm legte, dass er ihm von Lydia erzählte.
    Jemand griff nach ihrer Hand. Automatisch schaute sie nach unten, und als sie wieder hochblickte, sah sie, dass es Will war.
    » Darf ich um diesen Tanz bitten?«, fragte er.
    » Was?« Sophie lachte. » Das ist ja kaum der Donauwalzer, oder?«
    » Tanz mit mir.«
    Er schleifte sie mit unbeholfenen Walzerschritten über den holprigen Boden, und sie lachten beide. Zum zweiten Mal an diesem Wochenende spürte Sophie ein Flattern im Bauch wie ein Teenager beim ersten Date, aber diesmal war es nicht Angst, sondern freudige Erwartung. Sie traten einander auf die Zehen, als sie zwischen Autoscooter und Geisterbahn kreiselten. Frenetische Remix-Versionen von Kate-Perry- und Lady-Gaga-Songs kämpften um die Vorherrschaft, aber als er sie küsste, war es, als habe jemand die Lautstärke der Welt heruntergedreht.
    » Du lachst«, sagte Will und wich ein Stück zurück.
    » Ich lächle . Ich fühle mich wie ungefähr fünfzehn.«
    » So siehst du auch aus.« Will schob ihr eine lose Haarsträhne hinter das Ohr. » Es wird alles gut, nicht wahr?«
    Zur Antwort gab sie ihm einen Kuss. Wie unglaublich, dass ein einziger Abend, an dem sie mit ihrem Mann ausging– und zwar, wie sie jetzt ruhig zugeben konnte, ohne Edie, von der sie sich bereitwillig andauernd in Beschlag nehmen ließ–, mehr dazu beigetragen hatte, ihre geistige Gesundheit wiederherzustellen, als jede Gesprächstherapie und jedes Medikament das je vermöchte. Es war so einfach. Warum hatte sie es nicht schon vor Monaten getan? Es kam ihr nicht übertrieben vor zu sagen, dieser Abend habe ihr das Leben gerettet. Sie spürte Kinderblicke auf sich.
    » Das. Ist. Ekelhaft«, sagte Toby und tat, als müsse er sich übergeben.
    » Echt fies«, bestätigte Leo. » Kriegen wir noch ein bisschen Geld?«
    Als das Taschengeld zweimal aufgefüllt und wieder ausgegeben war und Tara es geschafft hatte, Charlie vom Karussell loszueisen, machte die Familie sich auf den Weg zu dem großen Feuer am Anfang der Brücke. Es war ein sechs Meter hohes Inferno aus brennenden Holzstücken und Kisten, zertrümmerten Spanplattenschränken und alten Bettgestellen. Sie sahen, wie jemand einen dreibeinigen Schemel auf den schwankenden