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Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)

Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)

Titel: Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
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Straßenseite aus ihrer Trägheit zu reißen. Sie hatten die Polizei und einen Krankenwagen gerufen, der mich nach Wellhouse gebracht hatte, wo man mich den Vorschriften des Gesetzes zur Unterbringung psychisch Kranker entsprechend aufgenommen hatte.
    Nach ungefähr einer Woche– und hier fügen sich meine Erinnerungen allmählich wieder mit den Berichten zusammen, die ich erhalten habe, sodass ich der Geschichte endlich wieder vertrauen kann– nahm man mir die Infusion ab und verlegte mich auf die gesicherte Station. Dabei handelte es sich genau genommen nicht um eine einzelne Station, sondern um einen ganzen Flügel mit separaten Schlaf- und Dusch-, aber gemeinschaftlich genutzten Wohn-, Betreuungs- und Ausbildungsräumen, die ich mit den verschiedensten Opfern der Gesellschaft zu teilen hatte. Das Spektrum reichte von der Drogensucht bis zum Wahnsinn.
    Anfangs fiel mir das Sprechen schwer. Das Wort » Muttermuttermuttermuttermuttermuttermutter« kreiste wie ein Tinnitus in meinem Kopf herum. Ich konnte es nicht ausblenden, aber mit einiger Übung gelang es mir nach ein paar Wochen, es mit normaler Rede zu begleiten, wie ein Pianist mit der rechten Hand die hohen Töne und mit der linken die Bässe spielt. Als ich meine Artikulationsfähigkeit zurückgewonnen hatte, nutzte ich sie, um jedem, der es hören wollte, zu erklären, dass die Familie MacBride für den Tod meiner Mutter so verantwortlich sei, als hätten sie gemeinschaftlich ein Messer ergriffen und es ihr zwischen die Rippen gestoßen. Immer wieder erzählte ich meiner undurchschaubaren Psychiaterin, Dr. Myerson, die ganze Geschichte. Ich berichtete, wie mir das Stipendium gestohlen worden war. Ich würgte an meinem Schuldbewusstsein, als ich gestand, wie ich an ihr gezweifelt hatte, und ich schilderte ihr die Ironie meiner durch Lydias Lüge gewonnenen neuen Einsicht, dass meine Mutter die ganze Zeit recht gehabt habe.
    » Und warum, glaubst du, sollte eine ganze Familie dich und deine Mutter verfolgen wollen?«, fragte sie.
    Die notwendigen Auslassungen empfand ich wie Fettschmierer auf dem Objektiv meiner Geschichte. Das Geheimnis dessen, was ich mit Felix gemacht hatte, war irrelevant in Anbetracht dessen, dass sie den Anfang gemacht hatten.
    » Ich wünschte, das wüsste ich«, sagte ich daher.
    Wenn ich kein Gespräch mit Dr. Myerson hatte, musste ich an einer qualvollen Übung teilnehmen, die » der Kreis« hieß. Die Insassen saßen auf Plastikstühlen in einem hufeisenförmigen Halbkreis und offenbarten weinend und sabbernd ihre Stimmungen und ihre Fortschritte. Wenn Gruppenerziehung so aussah, war ich noch einmal froh, dass ich zu Hause unterrichtet worden war. Einer der Schulinspektoren, die uns immer besuchten, hatte meiner Mutter gesagt, der größte Nachteil des häuslichen Unterrichts bestehe darin, dass ich keinen Umgang mit anderen hätte. Hätte mein Leben auf der Cath etwa so ausgesehen wie hier– Seite an Seite mit Fremden, ohne jede Privatsphäre, mit dem steten Tropfen ständigen Small Talks, der jeden klaren Gedanken verhinderte? Nie zuvor hatte ich mit mehr als zwei oder gelegentlich drei Leuten gleichzeitig umgehen müssen, und in diesem » Kreis« kam ich mir vor wie ein angehender Jongleur, der ein Dutzend Bälle gleichzeitig in der Luft halten musste.
    Um meinen Mitpatienten nicht in die Augen sehen zu müssen, verbrachte ich eine Menge Zeit damit, aus dem Fenster zu schauen. Mir gefiel der Blick auf den Krankenhausrasen, der oberhalb durch die anheimelnde Silhouette des Kathedralenviertels gesäumt wurde. Der Glockenturm bot ein beruhigendes Bild, auch wenn die Glocken außer Hörweite waren.
    Mein nächster Verwandter kam einmal in der Woche. Kenneth fühlte sich unbehaglich im Aufenthaltsraum, und bei seinen Besuchen brachte er mir jedes Mal schlechte Neuigkeiten, wie andere Verwandte Weintrauben mitbrachten. Die erste Meldung lautete, der Stadtrat habe unsere Zimmer in der Old Saxby Road bereits wieder übernommen, und im Fall meiner Gesundung sollte ich zu Kenneth in seine Wohnung ziehen. Die Bombe, die er zwei Wochen später platzen ließ, war die, dass der Autopsiebericht vorliege und die Untersuchung ergeben habe, die Todesursache bei meiner Mutter sei ein schwerer Herzinfarkt gewesen, vermutlich infolge einer chronischen Anorexia nervosa. Bei unserer nächsten Begegnung berichtete er mir, meine Mutter sei ohne mein Beisein eingeäschert worden. » Wir haben sie bestattet«, sagte er. » Ich wusste nicht, was am

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