Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)
Ohne Pflege und Aufmerksamkeit und ohne schnelles Eingreifen würde es damit vorbei sein, ehe sie dreißig wäre.
» Trink das«, sagte ich. » Das nimmt dem Schock die Spitze.« Sie nahm einen Schluck Sekt und behielt ihn einen Moment lang in den Backen wie ein Kind, das eine Cola trinkt.
» Und was hätten wir gemeinsam?« Ihr Gesicht war so unergründlich wie ihre Stimme. Ihr fehlte die Befangenheit, die man bei den meisten schönen Frauen findet. Umso besser.
» Ich werde dir eine Geschichte über Lydia MacBride erzählen«, sagte ich. » Vergiss, was deine Anwältin gesagt hat– dass es drei Richter sind, die ein Urteil fällen. Ich beobachte sie schon lange in diesem Gericht, und was sie sagt, gilt. Sie tut nichts aus Versehen.«
Zum ersten Mal seit Jahren erzählte ich wieder die Geschichte, die ich Dr. Myerson so oft erzählt hatte. Anders als die Leute in Wellhouse behauptete Kerry kein einziges Mal, ich hätte Wahnideen oder das alles sei nur Zufall. Seit dem Tod meiner Mutter hatte ich nicht mehr das Gefühl gehabt, dass mir jemand so gut zuhörte.
» Komm mit mir nach London«, sagte ich impulsiv. Mein Herz tanzte. Wie damals, als ich über Felix hergefallen war, hatte ich das Gefühl, mir außerhalb meiner selbst zuzuschauen. » Aus Saxby musst du sowieso weg. Komm doch mit mir.«
» Oh. Okay.« Sie zuckte die Achseln. Ich schrieb ihre mangelnde Dankbarkeit dem Schock zu.
» Ich nehme an, von fremden Männern mit Champagner entführt zu werden ist ein Berufsrisiko, wenn man aussieht wie du«, sagte ich, aber ich hatte den Verdacht, dass ein halbes Pint Cider und eine Packung Chips schon genügten. Alles, von ihrer Haltung bis zu ihrer Art zu trinken, ließ erkennen, dass sie keinen Luxus gewohnt war. Ich bezweifelte, dass es in ihrer Vergangenheit jemanden gab, der mit meinem Angebot hätte konkurrieren können.
Ich hielt mitten in einer Wohnsiedlung dicht vor der Ringstraße. Kerry verschwand in einem Mietshaus aus den Sechzigerjahren und kam nach weniger als einer Minute zurück. Die gesammelten Besitztümer ihres Lebens passten in einen billigen karierten Wäschesack, der sich dick wie ein Airbag vor ihr auf dem Beifahrersitz blähte. Auf der Rückfahrt nach London erzählten wir uns mehr von unserer Vergangenheit und tauschten die Vokabulare unserer Kindheit aus: Für sie war die Welt des Studiums und der Gelehrsamkeit ebenso fremdartig wie für mich die der Kinderheime und Pflegefamilien. Als wir uns der Stadt näherten, verstummte unsere Unterhaltung. Ich hatte ganz vergessen, wie gesellig so ein Schweigen sein konnte.
ACHTUNDZWANZIG
In Ealing angekommen bot ich ihr an zu duschen; ich zeigte ihr das Bad im Gästezimmer und legte zwei weiße Frotteetücher heraus, eins kleiner als das andere, als wäre ich es gewohnt, Gäste zu haben. Während sie verschwunden war, warf ich ihre Kleider in die Waschmaschine. Sie gefielen mir nicht: zu billig, zu schwarz, zu viel Spitze, zu viel Synthetik.
Das Brummen der Maschine übertönte ihre Anwesenheit, und plötzlich war sie da, in ein Handtuch gewickelt, mit dunklen Haarsträhnen, die sich über ihre Schultern schlängelten.
» Wo sind meine Sachen?«
Ich zeigte auf die Waschmaschine und klopfte mit der flachen Hand neben mir auf das Sofa. Dann zupfte ich die eingeklemmte Ecke des Badetuchs heraus, bereit zum sofortigen Rückzug beim ersten Anzeichen des Widerstands, aber da kam keins. Ich wickelte sie aus dem Laken, wie man Geldscheine von einer Rolle schält. Es verschlug mir den Atem. Ihr Körper machte meine Lebensweise zum Gespött. Es war das perfekte Zusammentreffen von Knochen und Fett, fest und weich zugleich. Die meisten Frauen konnte man für ein volles Jahr auf eine Maschine fesseln, und nichts dergleichen wartete darauf, zum Vorschein zu kommen. Ihre Papyrushaut war makellos bis auf einen verblassten waagerechten Dehnungsstreifen unter dem Nabel, durchkreuzt von einer Narbe dicht über dem adretten Schamhaardreieck. Anfangs war sie zurückhaltend, aber nach einiger Ermunterung benutzte sie ihre Stimme, wie ich es bei ihnen gern habe.
Zum ersten Mal schlief ich mit einem Mädchen, das etwas über meinen Background wusste. Bei jeder anderen hätte mir das ein Gefühl der Schwäche gegeben, aber nicht bei Kerry. Ich hatte großes Glück mit ihr, denn Dean Prescott und die anderen Männer, die vor mir gekommen waren, hatten dafür gesorgt, dass sie sich reiten ließ wie ein Pferd, das mit der Peitsche rechnet und deshalb auf die
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