Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)

Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)

Titel: Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Kelly
Vom Netzwerk:
in die Stadt dauerte zehn Minuten, und es war die perfekte Basis für die Planung meiner Expeditionen. Ich wurde kühner und beschattete Tara auf ihrem Weg vom Maschendrahttor der Grundschule zu ihrem Yogakurs am Montagabend. Ich fand Felix’ muffigen kleinen Laden und stöberte zwischen den wackligen Möbeln herum, die er anscheinend restauriert hatte, und ich war enttäuscht und zugleich erleichtert, als der Mann hinter der schäbigen Theke mir sagte, er sei unterwegs und müsse etwas ausliefern. Sophie zu verfolgen war zu öde, und Rowan war zu zurückgezogen– es sah aus, als verlasse er die Schule manchmal tagelang nicht–, aber mit Lydia war es einfach, denn sie saß immer noch einmal im Monat am Richtertisch im Amtsgericht.
    Das Gericht war ein fächerförmiges Art-déco-Gebäude, nach den Maßstäben Saxbys modern und ziemlich schön. Große, blickdichte Fenster, durch Messingkreuze aufgeteilt, beherrschten die Eingangshalle, und die Gerichtssäle waren mit Walnussholz getäfelt. Die erhöhte Zuschauergalerie war unbewacht und entweder leer oder spärlich besetzt durch Kaugummi kauende Verwandte und vereinzelte Journalisten, die ihre stakkatohaften, arabisch anmutenden Steno-Schriftzeichen zu Papier brachten.
    Als ich Lydia das erste Mal am Richtertisch sah, versetzte es mir einen Schock, als hätte ich einen Elektrozaun berührt. Sie war gut gealtert, fand ich. Ihr Haar war immer noch blond, und sie alle hatten diese sehr feine weiße Haut, die nicht runzlig oder schlaff wird, sondern nur federzarte Fältchen bekommt, die von Weitem nicht zu erkennen sind. Ihre Augen waren allenfalls noch blauer geworden. Sie führte immer den Vorsitz, beriet sich mit den Kollegen an ihrer Seite und sprach dann für sie alle. Gewichtig wie ein Lord Oberrichter verhängte sie Bußgelder gegen Autofahrer, die zu schnell gefahren waren, und Betrunkene, die im Stadtzentrum aufgegriffen worden waren. Bei ihrer Scheinheiligkeit drehte sich mir der Magen um, und gleichzeitig erfüllte sie mich mit Ehrfurcht. Einmal täuschte ich einen Hustenanfall vor, sodass sie zur Galerie heraufschaute. Unsere Blicke trafen sich, aber in ihren Augen schimmerte kein Wiedererkennen auf. Nur ich wusste, dass ihre Autorität und ihr Status durch die Dummheit kompromittiert wurden, die sie daran hinderte, ihre Nemesis zu erkennen, wenn sie bei den Göttern über ihr saß.
    Mein langfristiger Plan war es immer noch, ihre Geständnisse zu finden und zu veröffentlichen und so ihren Ruf und den ihres Ehemanns zu zerstören. Vielleicht hätte mir das als Genugtuung ausgereicht, als ich siebzehn war, unmittelbar nach dem Tod meiner Mutter. Aber seitdem hatte ich mich verändert, und mein Zorn hatte Zeit zum Schmoren gehabt. Jetzt genügte es nicht mehr, einfach nur die Wahrheit über den Tod meiner Mutter und Felix’ Schulausbildung ans Licht zu bringen. » Wer eine Mutter verletzen will, tut es durch ihre Kinder«, hatte meine Mutter gesagt. Nun, ich würde die Gesamtsumme meines eigenen und des Leidens meiner Mutter zurückzahlen, und Lydia MacBrides Kinder würden die Zinsen sein. Ich wollte zwei Generationen zur Strecke bringen. Auge um Auge.
    Öffentliche Demütigung, die Zerstörung des Ansehens, ist ein hartes Projektil, das sauber in den Körper eindringt und ihn genauso wieder verlässt. Ich wollte eine weiche Kugel haben, eine, die sich im Fluge dreht und das Fleisch von innen heraus in Fetzen reißt. Mein Zorn gärte weiter, aber er war noch nicht reif. Der Gedanke an Rache blieb stark, aber ihre Erscheinungsform war noch nebulös.

SIEBENUNDZWANZIG
    Oktober 2011
    Die Beklagten im Amtsgericht trugen entweder Sportkleidung oder Anzüge, aber das Outfit des Mädchens auf der Anklagebank bestand aus Leder und Jeansstoff. Sie war aus dem Rohmaterial der Schönheit: das lange dunkle Haar einer Höhlenmenschenfrau, große Augen mit verschmiertem Make-up. Selbst die billige, schlecht geschnittene Kleidung konnte die perfekten Proportionen darunter nicht verbergen. Sie hätte mühelos einen Job bei einem Escortservice bekommen können, auch wenn ihr Alter nur schwer zu bestimmen war; es konnte irgendwo zwischen fünfzehn und fünfunddreißig liegen. Als Namen gab sie Kerry Stone an, als Adresse die einer Resozialisierungseinrichtung, und dann versank sie in Schweigen, während die Anwälte über ihren Kopf hinweg ihr juristisches Pingpong spielten.
    Sie stand wegen Belästigung vor Gericht, und als die Staatsanwaltschaft ihren Fall vortrug, war ich

Weitere Kostenlose Bücher