Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
frisch gezähmt, doch noch kaum an den Sattel gewöhnt, und mit Maultiervorräten, die sie in Saltillo und Monclova eingekauft hatten.
Die neuen Pferde steckten voller Gemeinheit, schnappten mit den Zähnen und verdrehten die Augen. »Diese kleinen Scheißviecher beißen und treten dich, wo sie nur können«, sagte Jaggers zu Edward, »aber sie reiten den ganzen Tag und die ganze Nacht mit nur ei’m Schluck Wasser und fressen den letzten Dreck – Steine, Erde, dein’ Hut, alles. Ein gemeineres oder härteres Pferd siehst du nur noch unter ’nem Komantschen.«
Ein Dutzend Mann aus der Gesellschaft ging in ein Restaurant, dessen einheimische Gäste mit offenem Mund diesem wie aus einem Albtraum entsprungenen wilden Haufen von Weißen und Indianern hinterherstarrten. Die Bande aß sich satt und begab sich dann in eine Cantina, aus der binnen einer halben Minute nach ihrem Eintreten beinahe alle anderen Gäste verschwunden waren. Nur ein paar Machos hielten ihre Stellung an der Theke, und es kam nur zu zwei Schlägereien an diesem Abend. Ein junger, aber weißhaariger Australier namens Holcomb richtete einen mexikanischen Viehhändler übel zu, der ihn angeblich hämisch angesehen hatte, und ein mexikanisch-indianisches Halbblut namens Chato zerbrach eine Flasche über dem Kopf eines Cowboys und stach ihm mit dem scharf gezackten Rand ein Auge aus, weil der Cowboy irgendwas von wegen »indio mugroso« gemurmelt hatte. Aber niemand wurde getötet, und es ließen sich keine Gesetzesvertreter blicken, und vor Sonnenaufgang ritten sie hinaus, im Schlepptau die Caballada und die Lasttiere, jeder Mann schmaläugig und gereizt im Schmerz seines Katers.
Das Gelände vor ihnen stieg an. Sie kamen zu den südlichen Ausläufern der Sierra del Carmen und dahinter die Encantadas, und im Verlauf der nächsten Wochen überquerten sie diese auf ansteigenden Serpentinen und über schmale Pässe, deren Wände dunkel und immer höher aufragten und an die sich hängender Wacholder und Feigenkaktus mit roten Früchten klammerten und stelzige Agaven mit Mittelstämmen, so lang wie spanische Lanzen. Das Hufgeklapper ihrer Pferde hallte von den Felswänden wider. Sie erlegten und brieten Wildschweine zum Abendessen und füllten ihre Feldflaschen aus eisigen Bächen; in den mondbeschienenen Abenden bauschte sich ihr Atem wie Wolken blauen Rauchs. Ihre Lagerfeuer duckten sich, sprangen und wirbelten in den wechselhaften Canyonwinden. Sie hörten Pumas in den Barrancas schreien. In diesem hoch gelegenen Gebiet hatten sie keine Anzeichen der Wilden erwartet und fanden auch keine. Mit der Zeit flachte der Pfad ab, wand sich um die Felswände herum, schnitt durch Buschwerk von Wacholder und Pinyon-Kiefern und begann seinen langsamen Abstieg. Als sie schließlich auf einen Schwemmfächer, eine Bajada, hinauskamen, erspähten sie im Westen ein Gewirbel von Geiern, und gegen Mittag des folgenden Tages stießen sie auf ein Dorf in Ruinen, die noch rauchten.
Die Toten lagen verstreut und nackt da, in ihrem eigenen schwarz getrockneten Blut, wimmelnd von Ameisen und Fliegen und teilweise von Raubtieren und Aasvögeln angenagt, die noch ungelenk an den Leichnamen pickten wie betrunkene Leichenbestatter. Die Überreste von Männern und Frauen lagen ausgeweidet da, mit durchschnittenen Kehlen und verstümmelten Geschlechtsteilen. Keine Leiche war unskalpiert bis auf einige der Kinder, die noch keine Haare hatten und die gekrümmt zwischen den Felsen lagen, auf denen ihre Schädel zertrümmert worden waren. Der Gestank war noch nicht zur vollen Reife gediehen, würde sie aber bis zum nächsten Tag erreichen. Nur die schwarzrußigen Lehmwände standen noch. Alles aus Holz war verkohlt und rauchte, alles aus Stroh war Asche. Die Shawnee trieben die Überlebenden schnell auf und scheuchten sie aus ihren Verstecken in den nahe gelegenen Arroyos. Es waren weniger als ein Dutzend, und alle wirkten, als wären sie über Nacht verrückt geworden. Eine Frau, deren Blick auf etwas weit jenseits der Welt um sie herum gerichtet war, hielt einen toten Säugling an ihrer Brust.
Die Plünderer waren mit dem Vieh und mehreren jungen weiblichen Gefangenen nach Nordwesten davongeritten. Hobbes besah sich die dürftige Ansammlung toter Schweine und Hunde, beugte sich auf seinem Pferd vor, spuckte aus und riet dem Dorfältesten in fließendem Spanisch, er solle alles unverdorbene Fleisch, das er finden konnte, in Streifen schneiden und räuchern. Der Alte hob eine Hand,
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