Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
Geschmetter der Blaskapellen und der hinausgebrüllten Bewunderung der Buben, die neben ihnen im Staub entlangrannten, aufgewirbelt von den Pferden und dem Vieh, das jetzt zur amtlichen Erfassung in den Viehhöfen den staatlichen Vaqueros übergeben wurde. Sie wurden zum Palast des Gouverneurs geleitet und, gefolgt von einer jubelnden Menge, in den Hof geführt und dort mit einer höchst herzlichen und lobenden Rede des Gouverneurs persönlich begrüßt. Sie legten ihre Trophäen auf dem Hofpflaster aus, worauf der Adjutant des Gouverneurs mit lauter Stimme eine öffentliche Zählung vornahm. Als die letzten Skalps gezählt waren, belief sich die Gesamtzahl auf 172, und der brausende Beifall der Menge erhob sich bebend gen Himmel. Hobbes versicherte, sämtliche Skalps bis auf 31 seien von Kriegern genommen worden. Falls jemand dieses Ungleichgewicht verdächtig fand oder sich fragte, ob wirklich jedes Haar von einem Apachenkopf stammte, so sagte es niemand. Binnen einer Stunde baumelten einige Skalps von der vorderen Mauer des Palasts und die andere Hälfte vom Portal der Hauptplaza, und auf beiden Plätzen standen den ganzen Nachmittag lang Gruppen junger Burschen und bestaunten sie mit offenem Mund.
Die Skalpjäger begaben sich zu den Bädern der Stadt und verbrachten dort den größten Teil des Tages damit, den angesammelten Dreck, das getrocknete Blut und tote Fleisch wegzuschrubben, das sich in den Spalten ihrer Haut verkrustet hatte, in Ohren, Haaren und unter Fingernägeln. Schaulustige, die entlang und auf den Mauern aufgereiht standen, stießen sich gegenseitig an und raunten einander zu beim Anblick dieser behaarten Barbaren aus dem Norden in all ihrer vernarbten, gebrandmarkten und tätowierten Nacktheit. Sie deuteten auf Huddlestones freigelegte Augenhöhle und die ohrlose Seite von Finns Kopf und die Seilnarbe um Chatos Hals, auf die eingebrannte Nummer 12 über Himmlers Auge und die versammelten Nummern auf der Innenseite von Geechs Unterarm und die Flecken von Räude, die Castros Brust und Rücken befallen hatten. So vollkommen zerfetzt und verdreckt war die Kleidung dieser Mörder, dass ihr nur noch mit Feuer beizukommen war. Bei dem Heer von Händlern, das gekommen war, um sie zu belagern, kleideten sie sich neu ein. Sie überließen sich Barbieren von priesterlicher Haltung, ließen sich die Bärte stutzen oder abrasieren, ihre wilden Locken scheren und selbst die Haare in Nase und Ohren entfernen.
An jenem Abend präsentierten sie sich jeder, einschließlich der Shawnee, in neu geschneidertem Anzug und Seidenkrawatte im Hauptspeisesaal des Palasts, um dort vom Gouverneur geehrt und bewirtet zu werden. Er begann die Festlichkeiten, indem er ein weiteres Mal ihre Furchtlosigkeit und ihre Kriegskünste pries. Sie erfuhren jetzt, dass ihr Gastland sich seit Anfang Mai mit den Vereinigten Staaten im Krieg befand, dass, selbst während sie da im Palast des Gouverneurs von Chihuahua saßen und tranken, die US Army gegen Monterrey marschierte, beinahe vierhundert Meilen Luftliniendistanz südöstlich, aber tatsächlich viel weiter entfernt, da es auf der anderen Seite der östlichen Sierra Madre lag.
»Aber der Krieg ist eine andere Angelegenheit«, sagte der Gouverneur auf Englisch, nur eine von mehreren Sprachen, die er bewundernswert gut sprach, »und hat nichts mit unserem eigenen zu tun.« Weder er noch irgendein anderer Mann in diesem prunkvollen Saal ahnte, dass in wenig mehr als sechs Monaten Big Bill Doniphans Armee von eintausend barbarischen und zerlumpten Missourianern wie der geballte Zorn Gottes in die Stadt einfallen und mehr als eintausend Mexikaner töten, verstümmeln und verwunden würde, während sie nur den Verlust von einem Einzigen der ihrigen zu beklagen hätte.
Der Gouverneur hob sein Glas auf die Gesellschaft und alle prosteten ihm zu. Man hörte Padre Foreman flüstern: »Gott halte diese Yankees fern … halte sie fern von unserem Teil dieses lukrativen Landes!«
Der Gouverneur übergab jetzt Hobbes eine schmucke Lederleinen-Tasche, die die Belohnung für die Skalps und die Tiere enthielt. Die würdevolle Erscheinung ihres Captains und der eloquente Klang seiner spanischen Dankesrede beeindruckten jeden Mann in der Gesellschaft, wenn auch nur wenige irgendwas von dem verstanden, was er sagte. Als er geendet hatte, beteiligten sich selbst die Shawnee, die überhaupt kein Spanisch sprachen und nur ein paar Worte Englisch, an dem heftigen Applaus, der das Glasgeschirr auf der
Weitere Kostenlose Bücher