Das Böse in dir
stark war sein Bizeps vom vielen Gewichtheben.
Seine Mom war noch immer stinksauer. »Wie kannst du nur so einen Mist machen? Bist du vollkommen verrückt geworden?«
Nun, diese Anspielung auf seinen Geisteszustand gefiel ihm gar nicht. »So tief ist es doch nicht, Mom. Genau unter dieser Kante ist ein kleines Sims, auf dem sie gelandet wäre, wenn ich sie fallen gelassen hätte. Aber das habe ich ja nicht, richtig?«
»Jetzt werd bloß nicht frech, junger Mann. Du hast gerade etwas sehr Dummes und Verantwortungsloses angerichtet. Ich fasse es nicht. Das werde ich deinem Dad erzählen, du wirst schon sehen!«
Sie war so aufgebracht, dass sie das Baby beinahe selbst fallen gelassen hätte. Die Decke des Kindes rutschte aus der Trageschlinge und landete im Dreck. Als seine Mom sich, Destiny im Arm, danach bückte, riss er ihr das Baby aus dem Arm und versetzte ihr mit der Handfläche einen kräftigen Stoß vor die Brust. Sie kippte rückwärts über die Felskante. Ihre Miene war so voller Erstaunen über das, was er getan hatte, dass sie sich überhaupt nicht wehrte. Sie schrie nur kurz auf und purzelte dann wie ein Stein durch die Luft.
Wenig später prallte sie gegen den ersten Felsvorsprung, rutschte ab und stürzte wie eine Lumpenpuppe kopfüber etwa die Hälfte der Schlucht hinunter, bis sie auf einem schmalen Sims landete. Inzwischen schrie das Baby, und er wiegte es sanft in den Armen. Im ersten Moment hätte er das Kind am liebsten hinterher geworfen, und er setzte schon zu der Bewegung an, kam dann jedoch zu dem Schluss, dass das seltsam ausgesehen hätte. Er kannte die Folgen von CSI im Fernsehen, in denen die Spurensicherungsexperten sagen konnten, ob eine Mutter ihr Kind beim Sturz im Arm gehabt hatte. Das merkte man offenbar daran, wie weit entfernt voneinander die Leichen lagen. Also war es wohl das Beste, wenn er Destiny am Leben ließ und allen erzählte, dass er sie gerettet hatte, obwohl seine Mutter sie hatte mit in den Tod nehmen wollen. Ja, das klang gut. So, als ob sie freiwillig gesprungen wäre, um Selbstmord zu begehen. Dann würde er als echter Held dastehen.
Ein wenig verspätet sah er sich um, voller Angst, jemand könnte ihn von der oberen Kurve im Pfad unbemerkt beobachtet haben. Doch da war niemand. Manchmal hatte er einfach Glück. Als er wieder die Klippe hinunterspähte, stellte er fest, dass seine Mom sich noch immer nicht bewegt hatte. Arme und Beine waren seltsam verdreht, und außerdem war sie voller Blut. Alles war still. Also war sie offenbar wirklich tot. Kurz überlegte er und fragte sich, ob er es vielleicht nicht hätte tun sollen. Immerhin war sie seine Mutter. Aber, na und?, dachte er sich im nächsten Moment. Sie hätte nicht damit drohen dürfen, ihn bei seinem Dad zu verpetzen. Schließlich hatte er keine Lust auf Hausarrest, weil er Destiny über den Abgrund gehalten hatte. Nicht, wenn die Baseball-Meisterschaft anfing, sobald sie wieder zu Hause waren.
Sein Vater hatte schließlich genug Kinder. Und außerdem hatte er ja Destiny für ihn gerettet. Sein Dad würde, so viel Geld, wie er hatte, problemlos eine neue Frau finden. Vielleicht eine jüngere und hübschere. Hinzu kam, dass eine solche Tragödie ihn und seinen Dad sicher enger zusammenschweißen würde. Also war es das Beste für alle Beteiligten, mit Ausnahme seiner Mom natürlich. Doch nun war sie wenigstens bei Lyla im Himmel. So, wie sie sich seit ihrem Tod aufführte, gefiel ihr diese Lösung sicher ohnehin besser.
Während er noch eine Weile allein verharrte, überlegte er, wie er sich diesmal wohl am besten herausreden sollte. Er beschloss, allen zu erzählen, sie habe versucht, das Baby zu töten, worauf er ihr Destiny gerade noch rechtzeitig entrissen habe. Danach sei sie in ihrer Verzweiflung gesprungen und habe Selbstmord begangen, ohne dass er sie daran habe hindern können. Schließlich wusste er, was eine Wochenbettdepression war, und er hatte belauscht, wie ihr Dad sie fragte, ob sie vielleicht darunter litte, als sie oben im Schlafzimmer einen hysterischen Weinkrampf gehabt hatte. Sie hatte geantwortet, sie habe an Lyla gedacht. Aber, na und, das würde wunderbar klappen. Wer würde ihn schon des Mordes an seiner eigenen Mutter verdächtigen?
Und so presste er die entsprechende Tränenmenge hervor, rannte den Pfad hinunter und rief panisch nach seinem Dad.
Drei
»Okay, Bud, wir überprüfen jetzt Mikeys Wohnung. Also los, bringen wir es hinter uns.«
Bud wirkte, gelinde gesagt, wenig
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