Das Böse in dir
war ebenso heruntergerissen, und im ganzen Zimmer lagen viele – und ich meine, wirklich viele – mit Quasten versehene Kissen aus Samt und Seide herum. Ich fragte mich, wo der Typ in Lake of the Ozarks wohl diese riesigen, runden Bettlaken aus rotem Satin auftrieb. Andererseits war sein Vater angeblich so reich wie Oprah, weshalb er sie vielleicht unter dem Weihnachtsbaum vorgefunden hatte. Möglicherweise kaufte er sie ja auch in der buddhistischen Version von Bed Bath & Beyond. Oder Oprah hatte sie ihm im Rahmen ihrer Show mit dem Titel »Meine liebsten Dinge« geschenkt.
»Meinst du, der hat wirklich genug Kissen?«, meinte Bud.
Ich warf noch einen Blick auf das Bett. »Ich schätze, es sind höchstens dreißig bis vierzig. Allerdings habe ich nur die auf dem Bett gezählt. Dort auf dem Boden liegen noch mal etwa zwanzig für Notfälle.«
»Ich habe den Verdacht, dass seine Übernachtungsgäste am nächsten Morgen nicht mehr gehen dürfen. Wenigstens nicht in einem Stück«, entgegnete Bud.
Ich zwang mich zu einem Lächeln, was mir jedoch nicht ganz gelang. So sehr wir uns auch bemühen mochten, würden wir es nicht schaffen, der Situation eine humorvolle Seite abzugewinnen. Dazu war das Verbrechen einfach zu grausig. Ich bezweifelte, dass ich in nächster Zeit überhaupt wieder lachen würde. Nicht, dass ich das ohnehin sehr häufig tat. Als ich hörte, dass draußen ein Auto stoppte, und kurz darauf Wagentüren ins Schloss fielen, ging ich zum Schlafzimmerfenster, öffnete den seidenen Vorhang und stellte fest, dass Buckeye Boyd und sein Team ins Gebäude eilten.
»Buck ist da.«
»Sehr gut, dann können die ja das Mädchen aus dem Ofen holen.«
»Okay, dann schauen wir uns weiter um, ob wir noch etwas finden.«
Der Kleiderschrank war nicht eingebaut, sondern ein altmodisches, frei stehendes Modell. Als ich ihn öffnete, stieß ich auf die Herrenkleidung, vieles davon von der Stange gerissen, aber alles im Musterschülerstil und ordentlich gebügelt. Kein schwarzer Seidenkimono von Marco Polo in Sicht. Auch keine Seidenhüte mit Bommeln oder Woks, doch letztere bewahrte er vermutlich ohnehin in der Küche auf.
Währenddessen durchsuchte Bud die Kommode, konnte allerdings nichts Interessantes entdecken. Ich kramte ein wenig in den offen stehenden Schubladen eines Schreibtischs mit einem großen runden Spiegel herum, an dem vier Glücksbringer aus blauweißen Perlen hingen. Unzählige weitere waren an den Wänden befestigt. Der gute Mann musste ein ernsthaftes Problem gehabt haben, darauf wäre ich jede Wette eingegangen.
»Anscheinend war Mikey viel daran gelegen, sein Zuhause zu schützen, falls die Dinger da überhaupt diesem Zweck dienen. Er hätte ein Bewachungsunternehmen anheuern sollen. Weniger gruselig«, stellte ich fest.
»Vielleicht wollte er ja auch die Geister seiner Opfer in Schach halten und hat deshalb für jeden, den er ins Jenseits befördert hat, so ein Ding aufgehängt.«
»Was für ein aufmunternder Gedanke, Bud. Als Mädchen, das er gerade abgeschleppt hat, würde ich ›Psycho‹ denken, sobald ich den ersten Schritt durch den klappernden Perlenvorhang gemacht hätte.«
»Ja, aber du bist auch nicht high, vermutlich im Gegensatz zu seinen Opfern. Schau dir das an«, entgegnete Bud.
Ich drehte mich um. Bud hielt einen vier Liter fassenden Gefrierbeutel hoch, der ein feines weißes Pulver enthielt. »Wenn er so einen großen Vorrat im Haus hatte, hat er bestimmt gedealt.«
»Wo hast du das Zeug gefunden?«
»In dem großen roten Ingwertopf.«
»Was ist ein Ingwertopf?« Er zeigte darauf. »Woher weißt du, was das für ein Ding ist?«, fragte ich.
»Meine Mom hat in ihrem Porzellanmalkurs einen für mich gemacht«, antwortete Bud. »Ich bewahre meine Patronen darin auf. Auf Ingwer stehe ich nicht so.«
»Meine Munition liegt in einer Schale aus Walnussholz auf dem Nachttisch.«
»Dann hast du sie ja immer parat.« Bud griff wieder in den Topf. »Ach, herrje, was hat unser Mikey denn sonst noch versteckt? Viele kleine Beutelchen, um Portiönchen abzupacken. Offenbar haben wir es hier mit einer Drogensache zu tun, Claire.«
»Macht ganz den Eindruck. Doch warum haben die Leute, die seine Bude durchwühlt haben, die Drogen nicht mitgenommen? Man muss doch davon ausgehen, dass sie hinter dem Stoff her waren.«
»Gute Frage«, erwiderte Bud.
Aus unerklärlichen Gründen interessierte ich mich viel mehr für die Amulette, wenn es denn welche waren. Ich hatte nämlich die
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