Das Böse in dir
Sorgte er wie Black dafür, dass sie seinem Charme erlagen – natürlich meine ich das nicht wörtlich, obwohl er es in meinem Fall geschafft hatte. Oder war Collins eher der väterliche Typ beziehungsweise der anteilnehmende und beschützende große Bruder.
Endlich war sein Vortrag aus. Die Lichter gingen an, und die Menschen strömten nach vorne und umringten ihn, als hätte er gerade ein Allheilmittel gegen den Krebs entdeckt. Black und ich schlängelten uns durch die Massen, die, vermutlich ebenfalls vom Hunger getrieben, den Ausgängen zustrebten, und arbeiteten uns zum Podium vor, wo Collins seinen Verehrern die Hand schüttelte. Als er aufblickte und Black erkannte, der mit seinen einsfünfundneunzig die meisten Anwesenden überragte, winkte er ihm zu. Er schien aufrichtig erfreut zu sein, einen so geschätzten Kollegen hier begrüßen zu können, entschuldigte sich bei der kleinen Traube lächelnder Gratulanten und kam auf uns zu. Ich fragte mich, ob er immer noch so zufrieden grinsen würde, wenn er erst einmal meine Dienstmarke bemerkte.
»Boyce, wie schön, Sie zu sehen«, sagte Black und hielt ihm die Hand hin.
»Ja, wirklich, Nick. Wann sind wir uns zuletzt begegnet? War es letztes Jahr in San Francisco?«
»Vermutlich, Boyce. Ich möchte Sie gerne mit Claire Morgan bekannt machen. Sie ist Detective beim Canton County Sheriff’s Department drüben am See.«
Ich war froh, dass er nicht »meine Freundin« oder, noch schlimmer, »meine Lebenspartnerin« gesagt hatte. Dr. Collins lächelte mir zu. Seine großen braunen Augen mit den langen Wimpern blickten sehr warm und freundlich drein. Allerdings kam ich nicht umhin, einen verblassenden Bluterguss an seinem rechten Auge zu bemerken. Wo mochte ein geschniegelter Doc wie er wohl ein blaues Auge herhaben? Im nächsten Moment stellte ich fest, dass in seinem Kopf etwas Klick machte, als er meinen Namen hörte. Das geschah in letzter Zeit ständig. Wahrscheinlich würde ich mir eine gute Verkleidung zulegen müssen. »Oh, am See. Dort wurde doch Mikey Murphy gefunden. Marty hat mich von der Klinik aus angerufen und mir gesagt, dass Sie einen Gesprächstermin mit mir vereinbaren wollten. Sind Sie deshalb hier?«
Ja, Sir, ganz richtig, sagte ich mir aus irgendeinem Grund. »Würde es Ihnen passen, Sir, sich jetzt ein paar Minuten mit mir zusammenzusetzen?«
Black verzog das Gesicht und wirkte nicht sonderlich begeistert. Doch ich strafte seinen Unmut mit Nichtachtung. Der Fall kam zuerst, das wusste er, und ich konnte es kaum erwarten, mir diesen teflonbeschichteten Typen vorzuknöpfen. Der Kerl war so aalglatt, dass ihm die Kleider vor dem Schlafengehen vermutlich ohne eigenes Zutun vom Leibe rutschten.
»Nun, es tut mir schrecklich leid, aber das müssen wir verschieben. Der Zeitpunkt ist gerade sehr ungünstig. Natürlich möchte ich Ihnen helfen, aber ich muss in neunzig Minuten in Springfield sein, um meinen Flieger nach Nashville zu erwischen, und ich bin sowieso schon spät dran. Doch ich spreche gerne mit Ihnen über den Fall. Mikey war so ein sympathischer junger Mann. Ich war erschüttert, als ich hörte, was geschehen ist.«
»Wie haben Sie davon erfahren?«
»Die Klinik hat mich angerufen. Marty. Er sagte, Sie seien dort gewesen, um verschiedene Leute zu befragen, und müssten mit mir sprechen. Er meinte, Sie würden telefonisch einen Termin vereinbaren.«
»Richtig. Es ist sehr wichtig für mich, mit Ihnen zu reden. Vielleicht können wir das mit dem Termin jetzt erledigen?«
»Natürlich, wenn Sie möchten. Er hat mir berichtet, Sie hätten bereits einige Patienten befragt. Mikey war bei allen Jugendlichen sehr beliebt. Mit wem haben Sie denn gesprochen?«
»Bis jetzt nur mit Cleo und Roy, aber ich muss noch einmal hin. Hätten Sie in naher Zukunft vielleicht einen Termin frei, der uns beiden passt?« Freundliche, zuvorkommende Polizistin schleimt sich bei Zielperson ein.
»Klar, aber ich müsste zuerst in meinen Kalender schauen. Was halten Sie davon, dass ich Sie anrufe? Hoffentlich waren die Mitarbeiter kooperativ. Es ist wirklich eine schreckliche Tragödie. Sicher sind seine Eltern außer sich.«
Nun, Mom hatte nicht unbedingt bittere Tränen vergossen. »Ja, es ist traurig, aber wir werden bald herausgefunden haben, wer es war.«
Collins lächelte zu mir hinunter. Er war auch ziemlich groß, und ich bin immerhin einsfünfundsiebzig. »Ihr Selbstbewusstsein gefällt mir, Detective.«
»Danke.« Allerdings bezweifelte ich,
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