Das Böse unter der Sonne
Colgate, merken Sie nicht, wie auffallend ähnlich diese beiden Verbrechen sind?»
Inspektor Colgate wendete im Geist die Frage hin und her, kam aber zu keinem Schluss. Schließlich sagte er: «Nein, Sir, mir ist da nichts aufgefallen. Außer dass in beiden Fällen der Ehemann ein hieb- und stichfestes Alibi hat.»
«Aha!», sagte Poirot leise. «Dann haben Sie’s also doch gemerkt!»
«He, Poirot. Freut mich, Sie zu sehen. Kommen Sie rein! Sie sind genau der Mann, den ich suche.»
Hercule Poirot folgte der Einladung. Der Polizeichef schob ihm eine Schachtel Zigaretten zu, nahm sich selbst eine, zündete sie an und sagte, während er Rauchwolken ausstieß: «Ich habe mich zu einem bestimmten Vorgehen entschlossen. Aber ehe ich loslege, hätte ich gern Ihre Meinung dazu gehört.»
«Erzählen Sie, mein Freund», sagte Poirot.
«Ich werde Scotland Yard hinzuziehen und ihnen den Fall übergeben. Obwohl gegen ein oder zwei Leute ein gewisser Verdacht besteht, hängt der ganze Fall meiner Meinung nach mit dem Drogenschmuggel zusammen. Es ist doch klar, dass diese Feenhöhle ein Treffpunkt für die Mitglieder der Bande war.»
Poirot nickte. «Ich bin ganz Ihrer Meinung.»
«Das freut mich. Und ich bin mir auch ziemlich sicher, wer unser Drogenschmuggler ist: Horace Blatt!»
«Ja, darauf deutet alles hin», bestätigte Poirot.
«Wie ich sehe, sind unsere Gedanken in die gleiche Richtung gegangen. Blatt segelte oft mit seinem Boot. Manchmal lud er sich Leute ein, aber die meiste Zeit war er allein. Er hatte ziemlich auffallend rote Segel, aber wir stellten fest, dass auch weiße Segel an Bord verstaut sind. Ich denke es mir so: An einem schönen Tag segelte er zu einem verabredeten Treffpunkt, wo ein anderes Schiff auf ihn wartete, ein Segler oder eine Motorjacht, und dann fand die Übergabe statt. Blatt segelte zur Küste zurück und passte einen günstigen Augenblick ab, um das Zeug in die Feenhöhle zu befördern…»
«Ja, ja, um halb zwei Uhr», unterbrach ihn Poirot lächelnd. «Die Stunde, da ganz England beim Mittagessen ist und er sicher war, dass die Hotelgäste im Esssaal saßen. Die Insel ist Privatgrund, kein Ort, wohin Fremde zum Picknicken kommen. Manchmal gehen die Leute zum Teetrinken an den Feenstrand, am Nachmittag, wenn die Sonne hineinscheint. Wenn Hotelgäste ein Picknick machen wollen, ist es immer irgendwo im Innern der Insel, Meilen weg.»
Der Polizeichef nickte. «Genau», sagte er. «Blatt ging also an Land und versteckte das Zeug auf dem Sims in der Höhle. Jemand anders sollte es dort dann abholen.»
«Erinnern Sie sich an das Paar, das am Tag des Mordes mittags ins Hotel kam?», fragte Poirot. «Das wäre eine Möglichkeit, wie man das Zeug wegschafft. Irgendwelche Sommergäste aus einem Hotel im Moor oder in St. Loo kommen auf die Schmugglerinsel und verkünden, dass sie hier zu Mittag essen wollen. Zuerst machen sie einen Spaziergang über die Insel. Kein Problem, zum Strand hinunterzuklettern, die Brotschachtel zu holen, sie – sagen wir mal in Madames Badetasche zu verstecken, die sie selbstverständlich dabeihat, und zum Essen ins Hotel zurückzukehren. Vielleicht hat man sich etwas verspätet, sagen wir, es ist inzwischen zehn vor zwei, weil man den Spaziergang so genossen hatte. Und die andern sitzen inzwischen im Speisesaal und essen.»
«Ja, so kann es gewesen sein», sagte Weston. «Und diese Rauschgiftbande ist ziemlich rücksichtslos. Wenn jemand zufällig etwas entdeckt und etwas erfährt, was er nicht erfahren sollte, machen sie keine langen Geschichten und bringen die Person zum Schweigen. Mir scheint, dass dies die plausibelste Erklärung für Arlena Marshalls Tod ist. Es ist gut möglich, dass Blatt an jenem Vormittag das Rauschgift gerade versteckte. Seine Komplizen wollten es an diesem Tag abholen. Arlena kommt mit ihrem Holzfloß angepaddelt und sieht ihn mit der Schachtel in die Höhle gehen. Sie fragt ihn aus, und er tötet sie. Dann haut er mit seinem Boot ab, so schnell er kann.»
«Sie meinen also, dass Blatt der Täter ist?»
«Mir scheint dies die glaubwürdigste Lösung zu sein. Natürlich könnte es auch möglich sein, dass Arlena schon früher hinter die Wahrheit kam, Blatt gegenüber eine Bemerkung machte und ein anderes Bandenmitglied sich mit ihr verabredete und sie erwürgte. Wie ich schon sagte, es ist das beste, wenn wir den Fall Scotland Yard übergeben. Sie haben eine bessere Möglichkeit, Blatt eine Verbindung zum Rauschgiftschmuggel
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