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Das Bourne-Attentat

Das Bourne-Attentat

Titel: Das Bourne-Attentat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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doch.«
    »Sie sind zu ihm hingegangen, haben ihm die Pistole an den Kopf gesetzt und abgedrückt.«
    Petra blickte zur Seite. »Ich will nicht daran denken.«
    »Dann sind Sie nicht besser als irgendjemand sonst hier in Dachau.«
    Die Tränen begannen zu fließen, und sie schlug die Hände vors Gesicht. Die Laute, die sie von sich gab, klangen wie das ferne Klagen, das Bourne vorhin zwischen den Gräbern gehört hatte.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich wieder beruhigte. Sie wischte sich die rotgeränderten Augen mit den Handrücken. »Ich wollte einmal Dichterin werden«, sagte sie. »Aber für mich war Dichter zu sein dasselbe wie Revolutionär zu sein. Ich als Deutsche wollte die Welt verändern oder wenigstens etwas tun, um diese tief verwurzelte Schuld aus uns herauszubringen.«
    »Sie hätten Exorzistin werden sollen.«
    Es war als Scherz gemeint, doch in ihrer Stimmung fand sie es keineswegs komisch. »Das wäre ideal, nicht wahr?« Sie sah ihn mit ihren tränennassen Augen an. »Ist es denn so naiv, die Welt verändern zu wollen?«
    »Vielleicht wäre unrealistisch das bessere Wort.«
    Sie legte den Kopf auf die Seite. »Sie sind ein Zyniker, stimmt’s?« Als er nicht antwortete, fügte sie hinzu: »Ich glaube nicht, dass es naiv ist, daran zu glauben, dass das geschriebene Wort die Dinge verändern kann.«
    »Warum schreiben Sie dann nicht?«, erwiderte er. »Anstatt für Geld Leute zu erschießen. Das ist doch keine Art, seinen Lebensunterhalt zu verdienen.«
    Sie schwieg so lange, dass er sich fragte, ob sie ihn überhaupt gehört hatte.
    »Scheiß drauf«, sagte sie schließlich. »Ich wurde von einem Mann namens Spangler angeheuert – er ist fast noch ein Junge, höchstens ein- oder zweiundzwanzig. Ich habe ihn in einem Pub kennengelernt; wir haben ein-, zweimal einen Kaffee miteinander getrunken. Er sagte, dass er als Hauptfach entropische Wirtschaft studiert, was immer das ist.«
    »Ich glaube nicht, dass man irgendwo als Hauptfach entropische Wirtschaft studieren kann«, wandte Bourne ein.
    »Das hätte ich mir denken können«, sagte Petra, immer noch schniefend. »Ich glaube, ich bin in manchen Dingen wirklich ein bisschen naiv.« Sie zuckte mit den Achseln. »Ich habe mit Leuten noch nie besonders gut umgehen können. Mir liegt es mehr, mit den Toten zu kommunizieren.«
    »Sie können nicht die Trauer und die Wut von so vielen Menschen auf sich nehmen, ohne dabei lebendig begraben zu werden.«
    Sie blickte zu den Reihen der verfallenden Grabsteine hinüber. »Was kann ich denn sonst tun? Sie sind heute vergessen. Hier liegt die Wahrheit. Wenn man die Wahrheit ignoriert – ist das nicht schlimmer als eine Lüge?«
    Als er nicht antwortete, zuckte sie kurz mit den Schultern und drehte sich um. »Wo Sie schon mal hier sind, will ich Ihnen zeigen, was die Touristen sehen.«
    Sie ging mit ihm zu ihrem Auto zurück und fuhr den verlassenen Hügel hinunter und weiter zur offiziellen Dachauer Gedenkstätte.
    Etwas Düsteres lag über den Überresten des Konzentrationslagers, so als würden die alten Ofen immer noch brennen. Das Erste, was sie bei der Einfahrt sahen, war eine Eisenskulptur, eine grauenvolle Darstellung von abgemagerten Gefangenen, die sich in einen Stacheldrahtzaun stürzten, um den Qualen im KZ zu entfliehen. Drinnen im einstigen Hauptgebäude befand sich eine originalgetreue Nachbildung der Zellen, außerdem Schränke mit Schuhen und anderen unaussprechlich traurigen Gegenständen – alles, was von den Opfern noch übrig war.
    »Diese Schilder«, erläuterte Petra. »Sehen Sie hier irgendwo erwähnt, wie viele Juden hier gequält und ermordet wurden? Nein. Es ist immer nur von den ›Menschen‹ die Rede, die hier inhaftiert waren oder ihr Leben verloren. Das sagt schon einiges. Wir verstecken uns immer noch vor uns selbst; wir sind immer noch ein Land von Judenhassern, auch wenn wir’s oft unterdrücken und überspielen.«
    Bourne hätte erwidern können, dass nichts im Leben so einfach war, doch er wollte sie nicht daran hindern, ihrer Wut Luft zu machen. Offenbar gab es niemanden, bei dem sie diese Gefühle loswerden konnte.
    Sie führte ihn zu den Verbrennungsöfen, die auch nach so vielen Jahren noch unheimlich wirkten. Es kam ihm vor, als würden sie leben, als gehörten sie zu einer anderen Welt, einer Welt der unaussprechlichen Schrecken. Schließlich verließen sie das Krematorium und gelangten in einen langen Raum, dessen Wände mit Briefen bedeckt waren, manche

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