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Das Bourne-Vermächtnis

Das Bourne-Vermächtnis

Titel: Das Bourne-Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Temperament, das gar nicht zu seinem in der Öffentlichkeit kultivierten Bild passte. Andererseits florierten weite Bereiche seines Egos unter dem rosa Zuckerguss, mit dem sein Alltag überzogen war.
    »Webb hat sich eigenartig benommen«, sagte Chan
    ruhig.
    »Oh? In welcher Beziehung?« Spalko sprach wieder
    nachlässig, leicht undeutlich.
    »Er hat sich nicht wie ein Professor verhalten.«
    »Ich frage mich, wieso das wichtig ist. Haben Sie ihn denn nicht umgelegt?«
    »Noch nicht.« Chan saß in seinem geparkten Wagen
    und beobachtete einen Bus, der an der Haltestelle auf der anderen Straßenseite hielt. Die Tür öffnete sich zischend, und Leute stiegen aus: ein alter Mann, zwei Jugendliche, eine Mutter mit ihrem kleinen Sohn.
    »Also haben Sie Ihren Plan geändert, nehme ich
    an …?«
    »Sie wissen, dass ich erst noch mit ihm spielen wollte.«
    »Gewiss, aber wie lange?«
    Sie lieferten sich sozusagen ein verbales Duell, in dem so verdeckt wie fieberhaft gekämpft wurde, und Chan konnte nur Vermutungen über die Hintergründe anstellen. Ging es dabei um Webb? Weshalb hatte Spalko beschlossen, Webb den Doppelmord an den Regierungsbeamten Conklin und Panov anzuhängen? Wieso hatte Spalko die beiden überhaupt ermorden lassen? Chan zweifelte keinen Augenblick daran, dass er den Auftrag zu dem Doppelmord gegeben hatte.
    »Bis ich so weit bin. Bis er weiß, wer’s auf ihn abgesehen hat.«
    Chans Blick folgte der Mutter, als sie ihr Kind auf den Gehsteig stellte. Der Kleine schwankte beim Gehen etwas, worüber sie lachen musste. Er sah zu ihr auf, dann lachte er ebenfalls, weil er ihre Erheiterung imitierte. Sie nahm seine kleine Hand in ihre.
    »Sie haben sich die Sache doch nicht anders überlegt, oder?«
    Chan glaubte, eine gewisse Anspannung, ein Zittern wie von einem unerbittlichen Vorsatz zu entdecken, und fragte sich plötzlich, ob Spalko überhaupt betrunken war. Er überlegte, ob er fragen sollte, was es für ihn bedeutete, ob er David Webb liquidierte oder nicht. Aber nach kurzem Nachdenken kam er davon ab, weil er
    fürchtete, dadurch die eigenen Motive preiszugeben.
    »Nein, ich hab’s mir nicht anders überlegt«, sagte Chan.
    »Weil wir im Innersten gleich sind, Sie und ich. Unsere Nüstern blähen sich beim Geruch des Todes.«
    Gedankenverloren und weil er nicht recht wusste, was er darauf antworten sollte, klappte Chan sein Handy zu.
    Er legte eine Hand mit gespreizten Fingern an die Scheibe und beobachtete durch die Zwischenräume, wie die Frau mit ihrem Kleinen die Straße entlangging. Sie machte winzige Schritte und tat ihr Bestes, um ihr Tempo dem schwankenden Gang des Kindes anzupassen.
    Spalko belog ihn, das wusste Chan sicher. Genau wie er seinerseits Spalko belogen hatte. Sekundenlang verschwamm sein Blick, und er war wieder im kambodschanischen Dschungel. Er hatte sich ein Jahr lang in der Gewalt eines vietnamesischen Waffenschmugglers befunden, war wie ein Kettenhund angebunden gewesen und hatte wenig zu essen, aber dafür umso mehr Prügel bekommen.
    Beim dritten Fluchtversuch hatte er seine Lektion gelernt und den im Drogenrausch bewusstlosen Waffenschmuggler mit dem Spaten erschlagen, mit dem er sonst Latrinen ausheben musste. Er hatte sich zehn Tage lang von dem wenigen ernährt, das er finden konnte, bis ihn ein amerikanischer Missionar namens Richard Wick bei sich aufgenommen hatte. Bei ihm hatte er Essen, Kleidung, ein hei
    ßes Bad und ein sauberes Bett bekommen. Als Gegenleistung hatte er beim Englischunterricht des Missionars aufgepasst. Sobald er lesen konnte, bekam er eine Bibel, aus der er vieles auswendig lernen musste. In gewisser Weise begann er zu verstehen, dass er sich nach Wicks Ansicht nicht auf dem Weg zur Erlösung, sondern zur Zivilisation befand. Einige Male hatte er versucht, Wick das Wesen des Buddhismus zu erklären, aber er war noch sehr jung, und die Grundsätze, die er als Kleinkind gelernt hatte, klangen nicht sehr überzeugend, wie sie nun aus seinem Mund kamen. Allerdings hätten sie Wick ohnehin nicht interessiert. Er hielt nichts von Religionen, die nicht an Gott und an den Heiland glaubten.
    Chan stellte seinen Blick jäh wieder scharf. Die Mutter rührte ihren Kleinen jetzt an der Chromfassade des Schnellimbisses mit der riesigen Kaffeetasse auf dem Dach vorbei. Etwas weiter die Straße entlang konnte Chan den Mann, den er als David Webb kannte, durch das mit Reflexen überzogene Glas einer Autoscheibe sehen. Eines musste er Webb lassen: Er war vom

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