Das Bourne-Vermächtnis
lang durch die Rauchschwaden. Als Geheimagentin verstand sie sich darauf, hinter einer undurchdringlichen Miene zu verbergen, was sie fühlte oder dachte. Aber ihr Blick zeigte ihm, was sie beschäftigte, und er merkte, dass sie ihre anfängliche Reserviertheit aufgegeben hatte.
»Sagen Sie mir, Jason, können Sie sich als langjähriger Freund erinnern, Alex jemals ängstlich erlebt zu haben?«
»Nein«, sagte Bourne. »Alex hatte nie Angst.«
»Aber an jenem Tag war er ängstlich. Deshalb habe ich ihn gebeten, mir davon zu erzählen, damit ich ihm helfen oder ihn wenigstens dazu überreden konnte, der Gefahr aus dem Weg zu gehen.«
Bourne beugte sich nach vorn. Seine Haltung war jetzt ebenfalls aufs Äußerste angespannt. »Wann war das?«
»Vor zwei Wochen.«
»Hat er wenigstens irgendwas erzählt?«
»Er hat einen Namen erwähnt: Felix Schiffer.«
Bournes Herz begann zu jagen. »Dr. Schiffer hat bei der DARPA gearbeitet.«
Sie runzelte die Stirn. »Alex hat mir erzählt, er arbeite in der Entwicklungsabteilung für nichttödliche taktische Waffen.«
»Das ist ein Anhängsel der Agency«, sagte Bourne halb zu sich selbst. Die Puzzlesteine ergaben allmählich ein Bild. Konnte Alex erreicht haben, dass Felix Schiffer die DARPA verließ, um zur Entwicklungsabteilung zu gehen?
Natürlich wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, Schiffer
»verschwinden« zu lassen. Aber warum hätte er das tun sollen? Hätte er nur im Revier des Verteidigungsministeriums wildern wollen, hätte er die dadurch ausgelösten Proteste locker weggesteckt. Nein, Alex musste einen anderen Grund gehabt haben, Felix Schiffer verschwinden zu lassen.
Er starrte Mylene forschend an. »War Dr. Schiffer der Grund, dass Alex Angst hatte?«
»Das hat er nicht zugegeben, Jason. Aber wer sonst sollte der Grund gewesen sein? An jenem Tag hat Alex in ganz kurzer Zeit viele Anrufe bekommen und selbst viel telefoniert. Er war schrecklich nervös, und ich wusste, dass irgendein wichtiges Unternehmen in die kritische Phase getreten war. Bei dieser Gelegenheit habe ich mehrmals Dr. Schiffers Namen gehört und vermute daher, dass er der Mittelpunkt des Unternehmens gewesen ist.«
Inspektor Savoy saß bei laufendem Motor in seinem Citroën und horchte auf das Quietschen der Wischerblätter auf der Windschutzscheibe. Er hasste den Regen. Es hatte an dem Tag geregnet, an dem seine Frau ihn verlassen hatte, an dem seine Tochter für immer abgereist war, um in Amerika zu studieren. Seine Exfrau lebte jetzt in Boston, war mit einem stinknormalen Investmentbanker verheiratet. Sie hatte drei Kinder, ein Haus, Grundbesitz, alles, was ihr Herz begehrte, während er in diesem beschissenen Nest hockte – Wie hieß es gleich wieder? Ah, richtig, Goussainville – und sich die Fingernägel abkaute.
Und obendrein regnete es wieder.
Aber heute war alles anders, denn er war kurz davor, den Mann zu fassen, nach dem die CIA so dringend
fahndete. Wenn er Jason Bourne schnappte, würde seine Karriere einen steilen Aufschwung nehmen. Vielleicht würde sogar der Präsident auf ihn aufmerksam werden.
Er sah nochmals zu dem Wagen auf der anderen Stra
ßenseite hinüber: Dem Peugeot des Kulturministers Jacques Robbinet.
Aus der Datenbank der Sûreté hatte er Marke, Modell und Kennzeichen des Dienstwagens. Von seinen Kollegen an den Straßensperren wusste Savoy, dass Robbinet vom Flughafen aus auf der A1 nach Norden gefahren war. Nachdem er bei der Zentrale erfragt hatte, wer für den Nordteil des Fahndungsnetzes zuständig war, hatte er methodisch alle Fahrzeuge angerufen, weil Lindros ihn ausdrücklich vor nicht abhörsicheren Funkverbindungen gewarnt hatte. Keiner seiner Agenten hatte den Wagen des Ministers gesehen, und er begann schon zu verzweifeln, als er zuletzt Justine Bérard anrief, die ihm mitteilte, sie habe Robbinet an einer Tankstelle gesehen und sogar kurz mit ihm gesprochen. Ihr war aufgefallen, dass der Minister angespannt und nervös, ja fast unhöflich gewirkt hatte.
»Ist sein Verhalten Ihnen seltsam vorgekommen?«
»Eigentlich schon. Ich habe dem allerdings keinen besonderen Wert beigemessen«, hatte Bérard gesagt. »Jetzt bin ich natürlich anderer Meinung.«
»War der Minister allein?«, fragte der Inspektor.
»Das weiß ich nicht bestimmt. Es hat stark geregnet, und die Scheiben waren angelaufen«, antwortete Bérard.
»Außerdem habe ich ehrlich gesagt vor allem auf Monsieur Robbinet geachtet.«
»Ja, ein richtiger Traummann«, sagte
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