Das Brandhaus - Roman
konnte warten, bis sie wieder im Auto saßen.
Als Irene neugierig in das Innere des Lieferwagens sah, befiel sie ein großes Unbehagen.
Der gesamte Innenraum, Boden, Wände und Decke, war mit einem roten, flauschigen Nylonteppich ausgelegt. Auch die Innenseite der Türen des fensterlosen Raums waren mit dem roten Teppich verkleidet. Die roten Nylonfasern, die sie sowohl bei Alexandra als auch bei Moa gefunden hatten, stammten mit größter Wahrscheinlichkeit also von dort. Irene fiel auch der unangenehme Geruch in dem Fahrzeug auf.
Inzwischen waren auch ihre Kollegen vom Dezernat für Gewaltverbrechen eingetroffen.
»Verdammt, jetzt habe ich nasse Füße bekommen«, beklagte sich Jonny.
Hannu trat vor und betrachtete den Festgenommenen im Schein der Innenbeleuchtung des Lieferwagens. Irene gesellte sich zu ihm. Der Mann hatte begonnen, zu murmeln und den Kopf zu bewegen. Seine Baseballmütze war ihm vom Kopf gerutscht und lag neben ihm. Er hatte ein paar lange braune Locken an den Rand der Mütze geklebt. Sein eigenes Haar war dunkelblond und kurz geschnitten. Er war mittelgroß und durchtrainiert. Sein Alter schätzte Irene auf dreißig Jahre. Er trug Jeans, stabile Arbeitsschuhe und eine dunkelblaue Holzfällerjacke. Diese Kleider passten perfekt zu einer Tarnung als Berufskraftfahrer. Irene musterte sein Gesicht. Sie war sich jetzt vollkommen sicher, diesen Mann noch nie gesehen zu haben. Er hatte jedoch nachweislich in dem Zug gechattet, den sie überprüft hatte. Wo hatte er nur gesessen?
Man einigte sich darauf, dass die Männer des Einsatzwagens die Bewachung übernehmen sollten, bis der Krankenwagen eintraf. Sie würden auch auf die Spurensicherung warten, die den Lieferwagen abholen sollte.
Einer der Beamten begleitete sie zur Straße, um den Rettungswagen in Empfang zu nehmen. Man konnte tatsächlich in den Wald hineinfahren, wenn man sich an die Reifenspuren von Mr. Groomer hielt. Wahrscheinlich war dort früher einmal ein richtiger Weg gewesen.
»Könnte er in dieser Gegend mal gewohnt haben?«, überlegte Irene laut.
»Hier kann man doch nirgends wohnen«, meinte einer der Kollegen aus dem Einsatzwagen.
»Nein. Aber er kannte diesen überwucherten Weg. Er wusste, dass man mit dem Auto auf diese Lichtung fahren kann. Er muss also schon früher hier gewesen sein. Ich frage mich, ob er Alexandra und Moa ebenfalls hierhin mitgenommen hat.«
Niemand konnte Irene diese Frage beantworten. Nachdenklich und schweigend kehrten sie zu ihrem Auto zurück.
Irene fuhr mit Åsa und My zum Präsidium zurück.
»Wie geht es dir, My?«, fragte Irene.
»Ich bin noch ziemlich durcheinander«, erwiderte My.
Irene betrachtete sie im Rückspiegel. My hatte sich das Haar oben auf dem Kopf zu einem Zopf zusammengebunden. Sie trug nur ein wenig Wimperntusche. Ihr Gesicht wirkte jung und nackt. Sie hatte eine gefütterte Kapuzenjacke an über einem schwarzen T-Shirt, abgetragene Doc-Marten-Stiefel und eine ausgebeulte Jeans. Sie sieht kaum aus, als hätte sie schon das Konfirmationsalter erreicht, dachte Irene erstaunt.
»Und du, Åsa? Wie geht es dir?«, fragte Irene.
»Auch ziemlich durcheinander. Ich habe Elche erlegt und Rehe, auch Hasen, alles mögliche, aber ich habe noch nie auf einen Menschen geschossen. Das war... schrecklich!«
»Das war ein perfekter Treffer. Du schießt sehr sicher«, meinte Irene.
Dann machte sich wieder Stille in dem Wagen breit.
Im Präsidium entschuldigte sich Irene und ging direkt in ihr Büro. Hier standen immer noch die Tüten mit Åsas Requisiten. Sie hatte jedoch die Schreibtische wieder an ihren normalen Platz geschoben und die Schreibtischlampen dort angebracht, wo sie hingehörten.
Irene rief auf der kardiologischen Intensivstation an. Eine Schwester teilte ihr mit, dass ihre Mutter noch eine Weile dort bleiben müsse. Ihr Zustand sei ernst. Weder ihr Arm noch ihr Oberschenkelhals ließen sich operieren, bevor das Herzflimmern unter Kontrolle sei. Sie könnten das Risiko einer Narkose im Augenblick nicht eingehen. Irene erkundigte sich, ob sie später wieder anrufen dürfe, und die freundliche Schwester versicherte ihr, das dass kein Problem sei.
Auf dem Weg zum Konferenzzimmer fühlte sich Irene sowohl betrübt als auch aufgewühlt. Als sie sich der offenen Tür näherte, holte sie tief Luft und beschloss, ihre Besorgnis erst einmal beiseitezuschieben. Jetzt musste sie sich auf Mr. Groomer konzentrieren.
»Ich habe für alle Pizza bestellt«, teilte Tommy
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