Das Brandhaus - Roman
die meisten Enkel. Seine drei Töchter hatten ihm bislang vier Nachkommen beschert. Der Ringer konnte immerhin drei vorweisen und Sven Andersson gar keine.
Anderssons kinderlose Ehe war schon zwanzig Jahre zuvor geschieden worden. Erst seit zwei Jahren lebte er wieder in einer festen Beziehung. Seine Auserwählte hatte er in Lindéns Konditorei in Partille kennengelernt. Dort kaufte er schon fast seit dreißig Jahren ein, und sie hatte dort beinahe noch länger gearbeitet. Sie hatten sich in all den Jahren immer miteinander unterhalten. An einem ungemütlichen Februartag hatte er plötzlich erkannt, wie hübsch und nett er sie fand. Sie waren gleich alt, und sie war Witwe. Er hatte begonnen, ihr Avancen zu machen, und sie hatte seine Gefühle erwidert. Sie hatte Kinder und Enkel, verlangte aber nie von ihm, dass er sich an diesem Teil ihres Lebens beteiligte. Das passte ihm ganz ausgezeichnet. Sie wohnten nicht zusammen, hatten es aber sehr gut miteinander. In der Tat war es ihm noch nie so gut gegangen wie in der Zeit, nachdem er sie näher kennengelernt hatte.
»Ein neuer Fall?«, wollte Leif Fryxender wissen und nickte in Richtung der Kartons.
»Ja. Dieser Bursche, den sie am Korsvägen eingemauert gefunden haben. Die Todesursache waren drei Pistolenschüsse. Er ist als ein Mats Persson identifiziert. Dieser verschwand vor vierundzwanzigeinhalb Jahren spurlos. In einem halben Jahr verjährt dieser Mord. Meine Nachfolgerin Efva Thylqvist
fand, dass wir diesen Fall übernehmen könnten«, sagte Andersson.
»Kann sie das einfach so entscheiden?«, wollte der Ringer wissen.
Sven Andersson zuckte nur mit den Achseln.
»Das hier ist der erste Fall, den wir noch mal ganz von vorne aufrollen und vor allem zu dem Mord ermitteln müssen. Sonst haben wir es ja immer mit Fällen zu tun, bei denen die Vorarbeit bereits geleistet ist«, meinte Leif Fryxender.
Eine leichte Röte machte sich auf seinen mageren Wangen breit. Er interessiert sich wirklich für diesen Fall, dachte Andersson verblüfft. Der bescheidene und gefasste Fryxender war nie sonderlich enthusiastisch, mochten die Mordfälle auch noch so kompliziert sein. Fast widerwillig musste Andersson ihm recht geben, das hier war wirklich ein außergewöhnlicher Fall und eine gute Gelegenheit zu beweisen, dass auch die Alten noch einen Case knacken konnten. Das war ihnen zwar auch schon früher gelungen, aber da waren sie, wie Fryxender ganz richtig gesagt hatte, gezwungen gewesen, Informationen zu verwerten, die andere zusammengetragen hatten. Jetzt würden sie selbst tätig werden, was nach über 24 Jahren nicht unbedingt leicht werden würde. Zeugen waren sicher inzwischen verstorben oder waren senil geworden, andere konnten sich nach so vielen Jahren vermutlich nicht mehr erinnern, was sie wirklich gesehen hatten. Andererseits waren sie es gewohnt, diese Art von Fällen zu bearbeiten. Diese Thylqvist hatte vielleicht doch nicht so ganz unrecht gehabt. Dennoch hatte sie ihn reingelegt, und das würde ihr Andersson nicht vergessen.
Resolut legte er das Tonband mit Tommys Vernehmung von Mats Perssons Witwe zuoberst in den einen Karton. Wie bei allen Cold-Cases-Ermittlungen würde er damit beginnen, das Material zu sortieren, um es anschließend zusammen mit einem seiner Kollegen so objektiv wie möglich durchzugehen. Danach würden sie alles, was wichtig erschien, in eine Datenbank übertragen, die IBASE hieß und die sie in Göteborg entwickelt hatten.
Sie wurde bei Fällen benutzt, in denen es viele Zeugen und Spuren gab und die Gefahr bestand, leicht den Überblick zu verlieren. Hoffentlich werden wir damit noch vor den Sommerferien fertig, dachte Andersson. Wenn wir dann erholt und munter zurückkommen, kann die Jagd auf den Mörder der Mumie beginnen.
Hier ist Jens. Hast du Zeit?«
Irene zuckte zusammen, als die Stimme aus der Gegensprechanlage dröhnte. Sie beugte sich zu dem kleinen grauen Plastikkästchen auf dem Schreibtisch vor.
»Ich hab Zeit«, antwortete sie.
»Kannst du runterkommen?«
»Klar. Ich komme sofort.«
Sie stellte die Gegensprechanlage ab und verließ ihr Büro. Als sie durch den Korridor eilte, stieß sie fast mit Jonny Blom zusammen.
»Meine Güte! Brennt es irgendwo?«, fragte er.
»Nein. Aber Jens will, dass ich zu ihm runterkomme.«
»Geht es um Alexandra?«
»Weiß nicht. Hat er nicht gesagt.«
»Komm doch bitte anschließend zu mir, falls es mit diesen beiden Mädchen zu tun hatte.«
Irene nickte.
Er ist wirklich
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