Das Brandhaus - Roman
richtig gut zurecht, und Calle konnte seine Studien beenden«, berichtete sie unsentimental.
Leif Fryxender nickte und wandte sich dann an Oscar.
»Wenn wir das richtig verstehen, dann haben Sie und Ihr Cousin dieselbe Laufbahn eingeschlagen. Erst ein Jurastudium und dann eine Tätigkeit im Außenministerium. Sie haben beide in Moskau gearbeitet...«
Fryxender beendete den Satz nicht.
Astrid begann plötzlich zu kichern und wechselte mit ihrem Bruder einen belustigten Blick.
»Onkel Leopold«, meinte sie vielsagend.
Oscar Leutnerwall lächelte, als er entgegnete:
»Calles Onkel väterlicherseits war einer der höchsten Chefs im Außenministerium. Er legte ein gutes Wort für mich ein, als ich mich dort nach dem Examen bewarb. Ich hätte den Job wahrscheinlich aber auch so bekommen. Ich war Jahrgangsbester. Calle hingegen... da musste Onkel Leopold schon alle seine Beziehungen spielen lassen. Aber schließlich war Krieg, und die Botschaften hatten zu wenig Personal. Moskau war für zwei Grünschnäbel wie uns sehr aufregend, aber alles andere als ungefährlich.«
»Sind Sie Stig Wennerström begegnet, als Sie dort an der Botschaft arbeiteten?«
»Nein«, antwortete Oscar Leutnerwall.
»Sind Sie ihm im Sommer 1941 begegnet?«
»Nein«, antwortete er kurz.
»Kannten Sie ihn vor früher?«
»Nein. Wirklich nicht. Selbst wenn wir gleichzeitig in Moskau gearbeitet hätten, bezweifle ich, dass wir uns kennengelernt hätten. Er war fast zehn Jahre älter als ich und außerdem Militärattaché. Er hatte sicher Wichtigeres zu tun, als sich mit den jungen Burschen an der Botschaft abzugeben. Wennerström wurde im Sommer’41 zurückberufen und ist dann nicht wieder nach Moskau zurückgekehrt. Ich traf Anfang Oktober in Moskau ein und Calle im Dezember dieses Jahres. Wir sind dem zukünftigen Meisterspion also nie begegnet. Übrigens hat er bereits damals spioniert. Bereits während des Krieges wurde er verdächtigt, er konnte aber erst’63 enttarnt werden.«
»Calle und Sie befanden sich also während der Hårsfjärden-Katastrophe in Stockholm?«
»Ja. Das war fürchterlich. Ein totales Chaos.«
Damit bestätigte sich, was sie bereits wussten: Stig Wennerström, Oscar Leutnerwall und Carl-Johan Adelskiöld hatten sich alle drei zum Zeitpunkt des Mordes an Elof Persson in Stockholm aufgehalten.
Oscar Leutnerwall schenkte aus der hübschen Silberkanne nach. Der Deckel war geschwungen, und Deckel- sowie Handgriff waren aus dunklem, poliertem Holz.
»Was haben Ihr Cousin und Sie in Moskau getan?«
»Wir waren Beamte der Botschaft. Wir kümmerten uns um Angelegenheiten, die schwedische Interessen betrafen. Meist ging es um Privatleute oder abzuwickelnde Geschäfte.«
»Sie waren also nie das, was man heute Spione nennt?«
»Nein. Nie. Mit diesen Dingen beschäftigten sich vor allem die an der Botschaft angestellten ehemaligen Berufssoldaten.«
»Also Leute wie Stig Wennerström?«
»Ja, Leute wie Stig Wennerström«, bestätigte Oscar Leutnerwall.
»Sie sind Wennerström also während des Krieges in Stockholm nie begegnet?«
Fryxender stellte diese Frage ebenso ruhig und neutral wie alle bisherigen Fragen, aber Andersson spürte die Spannung, die sein Kollege ausstrahlte, fast körperlich. Er merkte, wie seine Handflächen feucht wurden.
»Nein. Wenn ich ihn auf der Straße gesehen hätte, dann hätte ich nicht gewusst, wer er ist.«
»Und Ihr Cousin? Kannte er Wennerström?«
Oscar schüttelte seinen ordentlich frisierten Kopf.
»Nein. Das hätte er mir erzählt. Spätestens, als Wennerström als Spion enttarnt wurde. Calle hätte so etwas nie für sich behalten.«
»Nach der Zeit in Moskau haben Sie dann also beide Karriere gemacht. Ich vermute, dass die Jahre in Moskau dem beruflichen Fortkommen zuträglich waren?«
»Moskau in Kriegszeiten war eine gute Schule. Wir lernten dort sehr viel.«
»Hatten Sie auch in den folgenden Jahren noch Kontakt zu Calle?«
»Wir telefonierten gelegentlich und schickten einander Weihnachts- und Geburtstagskarten. Aber zwischen unseren Begegnungen konnten manchmal zwei bis drei Jahre vergehen.«
»Aber nach der Pensionierung trafen Sie sich dann ja wieder. Sie zogen beide wieder zurück nach Göteborg.«
»Ja. Wir besaßen schließlich beide eine Wohnung hier. Meine Tante Vera wurde übrigens 94. Calle ließ ihre Wohnung nach ihrem Tod renovieren und zog einige Jahre später dort ein. Er liebte dieses Haus.«
Stille trat ein. Sie dachten daran, was aus dem
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