Das brennende Land
Tiere am Fluss zu tränken. Steapa führte uns zur Klosterkirche, einem schönen Steingebäude mit schwerem, eichenem Deckengebälk. Das Licht strömte durch hohe Fenster herein und fiel auf bemalte Tierhäute, und die Haut über dem Altar zeigte ein Mädchen in einem weißen Kleid, das ein bärtiger Mann mit Heiligenschein auf die Füße zog. Auf dem apfelbäckigen Gesicht des Mädchens lag sprachloses Erstaunen, und ich vermutete, dass dieses Mädchen die frisch wiederhergestellte Jungfrau war, während der Gesichtsausdruck des Mannes so wirkte, als würde sie bald eine Wiederholung dieses Wunders nötig haben. Unter ihr, auf einem mit Wolldecken behängten Stuhl vor einem Altar voller Silber, saß Alfred.
Etwa zwanzig weitere Männer waren in der Kirche. Sie hatten sich unterhalten, als wir angekommen waren, doch ihre Stimmen erstarben in dem Moment, in dem ich eintrat. Zu Alfreds Linken drängte sich eine Schar Kirchenmänner, unter denen ich meinen alten Freund Pater Beocca und meinen alten Feind Bischof Asser erkannte. Asser, der Waliser, war inzwischen zum engsten Berater des Königs geworden. Auf den Bänken des Kirchenschiffs saßen ein halbes Dutzend Aldermänner. Sie waren die Anführer der Regionen, die Männer für die Armee bereitgestellt hatten, um sich Haralds Eindringen entgegenzustellen. Zu Alfreds Rechten saß auf einem etwas kleineren Stuhl sein Schwiegersohn, mein Cousin Æthelred, und hinter ihm stand seine Frau, Alfreds Tochter Æthelflæd.
Æthelred war der Herr von Mercien. Mercien war das Land, das nördlich von Wessex lag, und seine nördlichen und östlichen Regionen wurden von den Dänen regiert. Es hatte keinen König, stattdessen hatte es meinen Cousin. Er war der anerkannte Führer der sächsischen Teile Merciens, aber in Wahrheit war er Alfred hörig. Der wiederum, auch wenn er diesen Anspruch nie offen verkündet hatte, war der eigentliche Herrscher über Mercien, und Æthelred tanzte nach seiner Pfeife. Wie lange dieser Tanz noch währen würde, war fraglich, denn Alfred wirkte kränker, als ich ihn je gesehen hatte. Sein bleiches Gelehrtengesicht war hagerer denn je, und in seinen Augen lag Schmerz, wenn sie auch nichts von ihrer Wachheit verloren hatten.
Er sah mich schweigend an, wartete, bis ich mich verbeugt hatte, und nickte mir dann einen kurzen Gruß zu. «Du bringst Männer, Herr Uhtred?»
«Dreihundert, Herr.»
«Sind das alle?», fragte Alfred unmutig.
«Wenn Ihr Lundene nicht verlieren wollt, Herr, sind das alle.»
«Aber Eure Frau bringt Ihr mit, was?», höhnte Bischof Asser.
Bischof Asser war ein Earsling, mit anderen Worten das, was aus einem Hintern fällt. Er war aus irgendeinem walisischen Hintern gefallen, und von dort aus hatte er sich tief in Alfreds Gunst geschleimt. Alfred hielt sehr große Stücke auf Asser, und Asser hasste mich. Ich lächelte ihn an. «Ich bringe Euch Haralds Hure», sagte ich.
Darauf sagte niemand mehr etwas. Sie starrten alle nur Skade an, und kein Blick war starrer als der des jungen Mannes, der hinter Alfreds Thron stand. Er hatte ein schmales Gesicht mit hervortretenden Wangenknochen, bleiche Haut, schwarzes Haar, das sich über seinen bestickten Kragen ringelte, und flinke, wache Augen. Er wirkte unruhig. Vielleicht schüchterten ihn die vielen breitschultrigen Krieger ein. Er selbst war schlank, beinahe schmächtig. Ich kannte ihn gut. Sein Name war Edward, und er war der Ætheling, der älteste Sohn des Königs, und wurde dazu erzogen, eines Tages das Amt seines Vaters zu übernehmen. Jetzt glotzte er Skade an, als habe er noch nie zuvor eine Frau gesehen, doch als sie seinen Blick erwiderte, errötete er und tat so, als interessiere ihn nichts mehr auf der Welt als der mit Binsenstroh ausgestreute Boden.
«Was
habt Ihr gebracht?», unterbrach Bischof Asser das überraschte Schweigen.
«Sie heißt Skade», sagte ich und stieß sie vorwärts. Edward hob die Augen und starrte Skade mit dem Blick eines Hündchens an, das unwiderstehlich von frischem Fleisch angezogen wird.
«Verbeuge dich vor dem König», befahl ich Skade auf Dänisch.
«Ich tue, was mir gefällt», sagte sie, und dann, genau wie ich es erwartet hatte, spuckte sie Alfred an.
«Schlag sie!», kläffte Bischof Asser.
«Schlagen denn die Kirchenmänner Frauen?», fragte ich.
«Sei still, Herr Uhtred», sagte Alfred müde. Ich sah, dass er seine rechte Hand wie eine Klaue gekrümmt um die Armlehne des Stuhls krallte. Er sah Skade an, die seinen
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