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Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition)

Titel: Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wende
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christlich-britischer Kultur zu führen.
    «I go back to Africa to try to make an open path for commerce and Christianity», hatte er 1857 in Cambridge verkündet[ 4 ] und damit an den für die viktorianische Epoche charakteristischen Glauben an eine über die Grenzen des Empire hinausgreifende zivilisatorische Weltmission Großbritanniens appelliert, der zu einer der wirkungsmächtigsten Antriebskräfte imperialer Expansion wurde. Dies führte naturgemäß auch gelegentlich zu skurrilen Projekten. So rüstete man 1841 zur großen ‹Philantropischen Expedition› mit dem Ziel, an den Ufern des Niger mit britischer Expertise ein irdisches Paradies zu schaffen. Prinz Albert fungierte als Schirmherr, das Parlament bewilligte die Finanzierung, drei Raddampfer wurden eigens für das Unternehmen konstruiert, Missionare und Naturwissenschaftler waren mit von der Partie, und Hauptziel war die Errichtung einer Modell-Farm, die den Eingeborenen den Weg zu einem friedlichen auskömmlichen Leben weisen sollte. Obwohl der begleitende Arzt Dr. Thomson bereits durch Selbstexperimente mit Chinin dessen Wirksamkeit bewiesen hatte, fielen die meisten Teilnehmer der Malaria zum Opfer. Bereits nach einem Jahr kehrten die Überlebenden nach London zurück. Der offizielle Bericht über die Expedition erschien 1848 und lieferte Charles Dickens den Stoff für eine bissige Satire über seine philanthropischen Zeitgenossen, die in seinen Roman Bleak House einging. Gemeint ist die Gestalt der Mrs. Jelleby, einer Frau «mit schönen Augen, die allerdings die sonderbare Angewohnheit hatten, stets irgendwie in die Ferne zu blicken, als könnten sie nichts wahrnehmen, was näher als Afrika liege», und die wegen ihres leidenschaftlichen Interesses für den dunklen Kontinent im allgemeinen und die Kaffeepflanze im besonderen ihre eigene Familie sträflich zu vernachlässigen pflegte.
    Im Mittelpunkt der weltweiten britischen kulturellen Expansion stand im 19. Jahrhundert – in deutlichem Unterschied zum älteren Britischen Empire – neben dem Freihandel ein verstärkt propagierter genereller christlicher Missionsauftrag. Er entsprang der allgemeinen religiösen Erweckungsbewegung der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Nachdem 1776 in einem Leitartikel des Evangelican Magazine Afrika als Ziel für die Verbreitung des Evangeliums propagiert worden war, wurden in den 90er Jahren die ersten Missionsgesellschaften gegründet. Hundert Jahre später verkündeten mehr als 10.000 britische Missionare, von denen mehr als die Hälfte Frauen waren, als Emmissäre von ca. 350 verschiedenen – zumeist protestantischen – Organisationen den christlichen Glauben in aller Welt. Sie handelten dabei keineswegs in staatlichem Auftrag; im Gegenteil: so, wie die Missionare sich immer wieder ausdrücklich von politischen Zielsetzungen und kommerziellen Interessen distanzierten, so betrachteten auf der anderen Seite anfangs Vertreter der Politik die Missionare mit Mißtrauen, nicht zuletzt, weil sie fürchten mußten, daß durch deren Aktivitäten Situationen heraufbeschworen werden konnten, in denen sie gegen ihren ursprünglichen Willen zu politischen oder gar militärischen Maßnahmen gezwungen würden. Doch in der Praxis machten beide Seiten die Erfahrung, daß man sehr wohl voneinander profitieren konnte: die Mission durch die schützende Hand der Kolonialverwaltung und die Politik durch das Ansehen und den Rückhalt, den die Missionstätigkeit in der öffentlichen Meinung des viktorianischen England besaß.
    Ebenso wie der Überseehandel blieb die Misionstätigkeit nicht auf das politische Empire beschränkt. Nachdem der Opium-Krieg dem europäischen Handel den Zugang nach China geöffnet hatte, folgten alsbald Missionare den Spuren der Kaufleute. Und in Afrika waren es Männer wie David Livingstone, die in bislang dem Europäer verschlossene Regionen vorstießen und damit einer späteren kommerziellen Durchdringung und territorialen Expansion den Weg wiesen. Vor allem in der Phase des Hochimperialismus lernten dessen engagierte Vertreter die Errungenschaften britischer Missionare schätzen, da sie durch die Einrichtung von Missionsschulen für die Verbreitung der englischen Sprache wertvolle Vorarbeit leisteten, so daß, wie der Kolonialadministrator Harry Johnston 1890 resümierte, «in der Tat jede Missionsstation einen Vorposten der Kolonisation bildet (‹an essay in colonization›)».[ 5 ] Und tatsächlich waren die Expansion des Empire wie auch

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