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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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wandten uns einander zu, als würden wir gerade ein intensives Gespräch führen, das man besser nicht störte. Dann hefteten wir uns an ihre Schatten.
    Wir hatten uns in die Hände unserer möglichen Mörder begeben. Trotzdem hatte ich immer noch keine Angst.
    Adriane hielt das Handy in der Hand, die Kamera aktiviert, den Finger auf dem Auslöser. Wir folgten den Hleda č i in eine dunkle Kammer, die einen perfekten Kreis bildete. Auf einem goldenen Altar stand ein Mann in einer weißen Kutte, dessen Augen von unserem Standort ganz hinten in der Menge unergründlich und schwarz aussahen. Die Wand hinter ihm war mit einem Symbol geschmückt, das wir schon kannten: ein Auge, das von einem Blitz durchbohrt wird, gemalt mit dunkelroter Farbe, sechs Meter hoch.
    Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so viele sein würden.
    Ich hatte mir die Hleda č i immer als bunt zusammengewürfelten Haufen Exzentriker vorgestellt, die kläglichen Reste dessen, was früher einmal eine ganze Armee aus Fanatikern gewesen war, heute aber nur noch aus zehn oder höchstens fünfzehn Unbelehrbaren bestand. Eli hatte es mir zwar vorher gesagt, aber es mit eigenen Augen zu sehen, war etwas anderes. Jetzt glaubte ich es. Die Hleda č i waren immer noch eine Armee, mit Hunderten von Anhängern. Ein Kult, ein Volk, alle mit den gleichen schweren schwarzen Kutten bekleidet. Ihre Stimmen erhoben sich in einem monotonen Sprechgesang, ihre Worte hallten von dem Gewölbe an der Decke wider und erfüllten die Kammer, bis sie von der erhobenen Faust ihres Anführers abrupt zum Schweigen gebracht wurden. Er rief etwas und die Menge antwortete mit tosendem Gebrüll.
    Adriane versteckte das Handy unter ihrer Kutte. Die Aufnahmefunktion zeichnete die Stimme des Anführers auf, die in einem hypnotisierenden Rhythmus an- und abschwoll. Eli flüsterte uns die einzige Übersetzung zu, die wir brauchten: »Er sagt, dass er sie zusammengerufen hat, weil das Lumen Dei näher ist als jemals zuvor und sie nur noch ein weiteres Teil brauchen, um ihr Schicksal zu erfüllen. Und dass nichts sie aufhalten wird.«
    Und dann hörte der Mann zu sprechen auf. Die Stille, die darauf folgte, wurde von der Menge gefüllt, mit einem neuen Sprechgesang, der keiner Übersetzung bedurfte, denn zwischen den vielen fremden Wörtern war eines, das ich kannte, eines, das ständig wiederholt wurde, ein wütender Trommelschlag, der sie in Raserei zu treiben schien.
    Vyvolená!
    Vyvolená!
    VYVOLENÁ!
    Die Angst war wieder da. Und jedes Mal, wenn sie dieses Wort riefen, wurde sie größer.
    Â»Ich glaube, wir sollten jetzt gehen«, flüsterte Adriane.
    Dieses Mal gab es keine Diskussion.
    Da die Hleda č i bei der Kundgebung gerade ihrem Blutrausch frönten, waren die anderen Kammern zum größten Teil leer, sodass wir uns auf die Suche machten konnten, nach etwas, das uns bei der Polizei oder gegen die Hleda č i selbst nutzen konnte. Wir fanden es hinter einer schweren Tür aus Holz, in die eine Frau auf einem Zentaur geschnitzt war. Der Raum selbst, an dessen Wänden Regale mit zerfledderten, in Leder gebundenen Büchern standen, war vielleicht irgendwann einmal als Bibliothek genutzt worden. Inzwischen diente er aber eindeutig nicht mehr als Lagerstätte für alte Weisheit, sondern als Archiv für Informationen über die Suche nach dem Lumen Dei , beginnend mit dem 16. Jahrhundert, endend mit uns.
    Das war genau das, worauf wir nicht zu hoffen gewagt hatten; es konnte uns das Leben retten.
    Adriane fotografierte pausenlos, während Eli und ich uns durch Stapel und Akten wühlten, mit Dossiers über Personen, zerbröckelnden Zeitungen, Artikeln über das Voynich-Manuskript, Gemälden, Zeichnungen und Fotos derer, die es untersucht hatten, möglichen vyvolenás aus dem London des 19. Jahrhunderts, Nazideutschland, dem japanischen Kaiserreich. Alles war ohne jede Sorgfalt, ohne jedes System ausrangiert worden, als wäre es Abfall, zugunsten der Dokumente und Fotos, mit denen die hintere Wand tapeziert war. Sie sah genauso aus wie die Wand, die Film-Serienmörder in ihren Verstecken errichteten: Überwachungsfotos von Chris, Adriane und mir. Unsere Geburtsurkunden, unsere Schulzeugnisse. Fotokopien der Voynich-Symbole. Mit Pfeilen versehene Diagramme, die uns miteinander und mit dem Hoff und seinem Buch verbanden. Bilder, auf denen wir mit einem

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