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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Wasserman
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du?«
    Â»Ich bin froh, dass du mich so gut kennst«, sagte er.
    Â»Ich bin auch froh, dass du mich so gut kennst.«
    Â»Alles wieder gut zwischen uns?«
    Dieses Mal nickte ich.
    Nach einem Moment lachte er. »Das war jetzt wohl ein Ja.« Und dann – vielleicht hatte er Angst, dass ich es mir anders überlegte – beendete er das Gespräch, ohne sich zu verabschieden.
    30 Das riesige Anwesen der Moores im viktorianischen Stil war das größte Haus in der Straße und das einzige, in dem kein Licht brannte. Nicht einmal die nachgemachten antiken Gaslampen auf dem Rasen und entlang der gewundenen Auffahrt waren eingeschaltet. Der Mond war eine schmale Sichel und eine dichte Wolkendecke hatte sich vor die Sterne geschoben. Als ich die Fahrradlampe ausschaltete, wurde es stockdunkel. Es beunruhigte mich nicht; den gepflasterten Weg war ich so oft gegangen, dass ich ihn auch mit verbundenen Augen gefunden hätte. Die Haustür stand offen und bewegte sich im Wind hin und her.
    Das beunruhigte mich dann doch.
    Â»Hallo?«
    Keine Antwort. Ich war zwanzig Minuten zu spät dran. Vermutlich saßen die anderen schon vor dem riesigen Flachbildschirm im schallisolierten Keller und hatten ohne mich angefangen.
    Die Tür stieß wieder gegen den Rahmen. Ich ging hinein und zog sie hinter mir zu. Als ich in der Dunkelheit stand, hörte ich jemanden atmen, heftig und unregelmäßig, wie ein Tier, das in Panik geraten war. Ganz nah.
    Ein durchdringender metallischer Geruch lag in der Luft. Er kam mir irgendwie bekannt vor.
    Ich hatte schon die Hand nach dem Lichtschalter ausgestreckt, als mir plötzlich klar wurde, was das für ein Geruch war. Da wusste ich es.
    Als Erstes sah ich die Fußabdrücke, rot und glänzend unter der Lichtschiene an der Decke, in einer Spur, die direkt auf mich zukam und dann an mir vorbei durch die Tür führte. Dann die Zeichnung, mit den Fingern in Blut gemalt, ein Punkt zwischen zwei gekrümmten Linien, wie ein Auge, mit einem Blitz quer durch die Mitte. Es gab noch andere blutige Abdrücke, die eigentlich keine Abdrücke waren, nur verschmierte Flecken, die vielleicht von einem Fuß, einer Hand, einem Knie stammten, von Körperteilen, die über die teuren Fliesen geschleift worden waren.
    Mrs Moore würde ausflippen, wenn sie das sah, dachte ich, während ich aus irgendeinem Grund fast angefangen hätte zu kichern. Blitzblanke Fliesen waren so eine Art Lebensinhalt für sie.
    Ich schluckte das Lachen hinunter. Es schmeckte wie Galle.
    Das Haus hatte einen lang gezogenen Eingang, die Große Halle, wie Mrs Moore zu sagen pflegte. Der Tür gegenüber führte eine gewundene Treppe aus Mahagoniholz in den ersten Stock, in dem vier Schlafzimmer, zwei Bäder und die ehemaligen Dienstbotenunterkünfte lagen. Links ging es in die Küche und das Esszimmer, über das vor Kurzem ein Artikel im Lifestyle-Teil des Boston Globe erschienen war, mit der Überschrift »Landhausidylle«. Rechts lag ein Wohnzimmer, das nie benutzt wurde, mit makellosen weißen Fliesen, weißen Sofas, weißen Wänden. Chris sagte immer, es sehe aus wie die Gummizelle in einer Irrenanstalt und sei »deshalb perfekt für meine Mutter«. Besonders gerne sagte er das, wenn sie dabei war, weil sie seine liebevollen Sticheleien genauso mochte wie alle anderen.
    Er lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden.
    Sein linker Arm stand in einem unnatürlichen Winkel ab, der Ellbogen war nach hinten verdreht und aus der blutigen Masse ragten Knochen heraus. Sein rechter Arm war unter ihm begraben. Er war so ruhig.
    Und das Blut.
    Mittendrin kauerte Adriane, so anmutig wie immer, ein Kind in einer Pfütze. Sie schaukelte vor und zurück, die Beine angezogen, die Arme um die Knie geschlungen, das Gesicht weiß wie Papier, bis auf den roten Strich, der sich über ihre Wange zog.
    Jemand schrie. Das musste aufhören.
    Ich konnte nicht denken.
    Ich wollte nicht denken.
    Ich machte die Augen zu. Ich machte den Mund zu und hielt die Luft an. Das Schreien hörte auf.
    Doch als ich meine Augen öffnete, hatte sich überhaupt nichts verändert. Es sieht gar nicht so aus, als würde er schlafen, dachte ich. Wenn er so aussähe, als würde er schlafen, könnte ich so tun, als sei gar nichts passiert.
    Â»Adriane«, sagte ich. Die Stimme klang, als käme sie von ganz weit weg. Ruhig. »Adriane, was ist

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