Das Buch aus Blut und Schatten
FAS.
Ich hielt Castor nicht aus Nachlässigkeit für einen Gott. Denn ich habe mit Gewalt gehandelt und wurde seines Tempels verwiesen. Lasst uns Lieder für ihn singen, wie es sich gehört. Jetzt, bereits jetzt, soll die Hymne auf diesen Rächer emporgestiegen sein! Zuerst wurde mir mein Herz entrissen. Oh so schnell, nachdem mein Reichtum dahin war, wurde der Wille des Himmels offenbar. So lasst dies Beispiele sein und lasst mich das Bild des Scheiterns sein. Mein Werk war kein Verbrechen, dennoch lebe ich in Angst vor der Sache. Tränen flieÃen; schickt sie zu den Wellen, wo der Wille des Himmels begehrt wird.
Verbrechen, Gewalt, Scheitern, Angst.
Rache.
Das Symbol eines Blitzes, das für einen Mörder stand â das mich zu reus, dem Schuldigen, führen würde.
Was sollte mir das sagen? Was war das Geheimnis?
Was für eine Niete war ich, dass ich es nicht herausfinden konnte?
Und ja, es gab Momente, in denen ich innehielt und mich fragte, ob ich den Schuldigen überhaupt ausfindig machen wollte, denn sosehr ich Chrisâ Tod auch rächen wollte, ich war alles andere als ein Racheengel und hatte bis auf meinen messerscharfen Verstand weder ein Flammenschwert noch gepanzerte Flügel noch sonst etwas, mit dem ich mich verteidigen konnte. Ich war keine Kämpferin. Und daher hätte ich mich unter fast allen anderen Umständen damit zufriedengegeben, den Fall in den kompetenten oder inkompetenten Händen der Polizei zu lassen. Ich wäre bereit gewesen, den Rest meines Lebens damit zu verbringen, einen Schatten zu hassen, selbst wenn das bedeutet hätte, ständig darauf zu warten, dass jemand mit einem Messer in der Hand aus der Dunkelheit auftauchte und das zu Ende brachte, was er begonnen hatte. Aber hier ging es nicht ums Prinzip; hier ging es um Max.
Bei Google fand ich nur unbrauchbare Informationen über eine Million gruseliger Symbole, von denen keines das war, nach dem ich suchte. Ich hatte: die Postkarte von Max. Die Briefe aus seinem Zimmer. Elizabeths Brief, der mit Chrisâ Blut befleckt war. Zweifelhafte Verbindungen zwischen dem Schlaganfall eines alten Mannes, der vielleicht, vielleicht aber auch nicht, ein Mordversuch gewesen war, einem vierhundert Jahre alten Buch und einer Nachricht geschrieben in Blut, Schnee und Tinte, die jedes Mal, wenn ich sie sah, weniger Sinn ergab.
Ich hatte nichts.
21 Die Polizei hatte ein gelbes Absperrband um die alte Kirche gezogen, sich aber nicht die Mühe gemacht, jemanden abzustellen, der sie bewachte. Ich hatte noch etwas: den Schlüssel.
Das Büro sah genauso aus, wie wir es zurückgelassen hatten, stickig und überheizt, mit Papierstapeln und gebrauchten Kaffeetassen auf den Arbeitstischen. Ich fand es riskant, das Licht einzuschalten, doch schlieÃlich siegte der Feigling in mir gegen meinen Verfolgungswahn â ich sagte mir, dass ich im schwachen Strahl einer Taschenlampe nie etwas finden würde, doch in Wahrheit brachte ich es einfach nicht fertig, mich bei Dunkelheit in das Gebäude zu schleichen.
Der Safe, in dem der Hoff sein Archiv aufbewahrt hatte, war leer. Einige Bücher, die vom Schreibtisch heruntergefallen waren, lagen aufgeschlagen auf dem Boden, mit zerrissenen Seiten und gebrochenem Rücken. Ich wusste, dass es das Letzte war, was der Hoff getan hatte, in einer Art Wutanfall oder dem verzweifelten Versuch, nicht das Gleichgewicht zu verlieren, als das Gift zu wirken begann und seine Nervenzellen verrückt gespielt hatten, denn Professor Anton Hoffpauer hätte niemals ein Buch in diesem Zustand liegen lassen, wenn er es noch hätte aufheben können.
Das war das Erste, was ich tat: Ich sammelte die Bücher vom Boden auf und stapelte sie zu einem ordentlichen, aber gefährlich schwankenden Turm, der dem Hoff sicher gefallen hätte. Dann fing ich an.
Allerdings stellte sich heraus, dass es gar nicht so leicht war, etwas zu suchen, wenn man gar nicht wusste, wonach man suchte. Im Kino wurde so etwas zu einer langweiligen Sequenz zusammengeschnitten, die in anschwellenden Harmonien und der GroÃaufnahme eines Dokuments endete, das praktischerweise gleich in der ersten oder zweiten Akte versteckt war. Ich dagegen hätte vermutlich eine ganze Woche dafür gebraucht, um das erste Regal mit Sammelbänden zur Renaissancegeschichte durchzusehen, ganz zu schweigen von den vielen Bücherstapeln, die scheinbar nach keinem System geordnet waren, es sei
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