Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1
es nichts als die weite Ebene ohne irgendeinen erkennbaren Trampelpfad oder Hinweis.
»Siehst du«, grinste Tommy mich an. »Ich wusste doch, dass ich ihn mitnehmen sollte.«
Da ich nun schon mal den Kompass in der Hand hatte, fiel mir auch die Aufgabe zu, wieder die Vorhut zu bilden. Wir diskutierten gar nicht mehr, welche Richtung wir einschlagen sollten. Wir gingen einfach los.
Die Luft roch nach trockenem Gras, und dann und wann mischte sich auch eine Art Wildgeruch darunter. Zumindest meinte ich das, aber ich sprach es nicht aus, denn ich wollte die anderen nicht beunruhigen. Wir gingen einfach querbeet, richteten uns nur nach der sturen Anzeige unseres Kompasses. Bei einem besonders schönen Termitenhügel blieben wir stehen und betasteten den grandiosen Bau der kleinen Insekten. Etwa vier Meter wuchs der Hügel in die Höhe, ich konnte mir nicht vorstellen, dass solch kleine Tiere ein derartiges Bauwerk zustande brachten. Doch so sehr wir auch suchten und an der Außenseite klopften,Termiten zeigten sich nicht. Diese Welt schien unbewohnt. Na, mit Ausnahme unserer kleinen Spinne!
Bald wurde das Gras kürzer und die Termitenhügel wurden spärlicher. Der leichte Wind frischte etwas auf, was uns nicht ungelegen kam, trocknete er doch den feinen Schweißfilm, der sich auf unserer Haut vom Wandern gebildet hatte. Nach weiteren fünf Minuten ließen wir auch den letzten Affenbrotbaum hinter uns, und das Gras verschwand bis auf wenige Büschel ganz und wurde ersetzt durch trockenen, harten Sandboden. Angestrengt suchten wir mit denAugen den Horizont nach irgendwelchen Anzeichen ab, die uns einen Hinweis auf unser mögliches Schicksal geben konnten. Sanne entdeckte es als Erste.
»Was ist das?«, rief sie und deutete voraus.
»Was meinst du?«, fragten wir gleichzeitig.
»Die dunkle Linie da vorn!«
Ich ließ die Hand mit dem Kompass sinken und schaute angestrengt zum Horizont. Sanne hatte recht. Am Rand unseres Blickfeldes schien eine Linie gezogen. Die sandfarbene Ebene erstreckte sich bis zu diesem dunklen Saum ohne besondere Erhebungen.
»Nun denn«, meinte Tommy. »Sehen wir nach.«
Beinahe ungestüm setzten wir einen Fuß vor den anderen. Da es nicht mehr viel Abwechslung in der Landschaft gab, hielt ich den Blick auf meine Schuhe gerichtet. Der Boden wurde immer sandiger, und bei jedem Schritt stob eine kleine Staubwolke auf. Ich hörte nichts außer den Schlurfgeräuschen meiner Freunde und das Hecheln unserer Hunde. Doch kurz darauf mischte sich ein fremdes Geräusch unter die mir vertrauten. Es klang wie ein ständiges leises Rauschen in den Ohren. Ich schenkte dem zunächst keine besondere Beachtung. Ich musste mich förmlich zwingen, den Blick von den Füßen zu wenden, die so schön gleichmäßig vor sich hin tappten.
»Hört ihr das auch?«, fragte ich eine Spur zu laut.
»Und ob ich das höre!«, sagte Tommy. »Und nicht nur das. Seht mal da … «
Wir trauten unseren Augen nicht. Das, was wir vorhin noch als Linie wahrgenommen hatten, entpuppte sich als regelrechter Einschnitt in der Ebene. Dort hinten tat sich ein Spalt auf, der die Landschaft vor uns teilte. Ein Graben zog sich wie willkürlich abgebrochen im Zick-Zackkurs von links nach rechts. Und zwar so weit der Horizont reichte.
Unwillkürlich verlangsamten wir unsere Schritte. Tommy rief Jever an seine Seite. Um Lazy brauchte ich mir dagegen keine Sorgen zu machen, denn der tappte etliche Meter hinter uns her. Schritt für Schritt kamen wir dem Einschnitt näher. Und je näher wir kamen, desto deutlicher wurde, dass es sich um einen Abgrund handelte.
Das Geräusch, das sich als gleichmäßiges Rauschen in unseren Ohren bemerkbar gemacht hatte, verstärkte sich. Mit jedem Meter, den wir der Schlucht näher kamen, und jetzt war ich mir ganz sicher, dass es sich um eine Schlucht handelte, nahm die Intensität des Rauschens zu. Was erwartete uns?
Dann bekamen wir Gewissheit. Ein gigantischer Abgrund tat sich vor uns auf! Ein etwa dreißig Meter breiter Riss im Erdboden! Wir standen nur noch wenige Meter vor dem Abgrund und sahen die schroffen Felswände auf der gegenüberliegenden Seite des Bruchs.
Ich folgte Tommy vorsichtig, der sich schon bis zum äußersten Rand vorgewagt hatte. Jever und Lazy blieben bei den Mädchen, was Lazy sichtlich freute, Jever dagegen absolut nicht behagte. Aber bei ihm konnte man ja nie wissen, ober nicht wieder zu einem seiner berühmten Megahopser ansetzen würde.
Zwei Meter vor dem Schritt ins
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