Das Buch der Schatten 2
mir eine Cola light heraus. Ich kippte sie hinunter und stapfte dann wieder nach oben, um mir die Haare zu bürsten.
Irgendwie waren wir dann trotzdem zu spät dran. An der Schule lenkte ich Das Boot mit geübtem Schwung in eine Parklücke. Da entdeckte ich Bakker, der auf das Auto zukam, um Mary K. abzuholen.
Meine Stimmung verschlechterte sich augenblicklich.
»Schau, da ist er«, sagte ich. »Liegt auf der Lauer wie eine Spinne.«
Mary K. versetzte mir einen Knuff ans Bein. »Hör auf«, sagte sie. »Ich dachte, du magst ihn.«
»Er ist okay«, sagte ich. Ich muss locker bleiben, dachte ich. Wenn mir jemand mit der Große-Schwester-Nummer käme, wäre ich unglaublich sauer. Aber
ich konnte nicht umhin zu fragen: »Weiß er, dass du erst vierzehn bist?«
Mary K. verdrehte die Augen. »Nein, er glaubt, ich bin in der vorletzten Klasse«, sagte sie sarkastisch. »Lass bloß die Katze nicht aus dem Sack.« Sie stieg aus. Als sie und Bakker sich küssten, schlug ich die Fahrertür zu und hängte mir den Rucksack über die Schulter. Dann eilte ich zum östlichen Eingang.
»O Morgan, warte!«, rief jemand. Ich drehte mich um und entdeckte Janice, deren Haar im Takt hüpfte, als sie auf mich zugelaufen kam. Oh – ich hatte völlig vergessen, sie am Abend zuvor zurückzurufen.
»Tut mir leid, ich hab’s verpennt, dich zurückzurufen«, sagte ich, als sie bei mir war.
Sie fuhr mit der Hand durch die Luft. »Kein Problem. Ich wollte nur ein bisschen quatschen«, meinte sie. »Ich habe dich in letzter Zeit außer im Unterricht so gut wie gar nicht zu Gesicht gekriegt.«
»Ich weiß«, sagte ich entschuldigend. »Es ist ziemlich viel los.« Das war so eine lahme Umschreibung dessen, was los war, dass ich fast lachen musste. »Meine Tante Eileen zieht mit ihrer Freundin zusammen«, sagte ich eingedenk des einzigen Lichtblicks.
»Toll! Sag ihr, dass ich mich für sie freue«, meinte Janice.
»Mach ich«, sagte ich. »Was hast du für Fishmans Aufsatz bekommen?«
»Irgendwie ist es mir gelungen, eine Eins aus dem Hut zu zaubern«, sagte sie, als wir auf das Hauptgebäude zugingen.
»Cool. Ich habe eine zwei plus. Ich finde Aufsätze schrecklich. Viel zu viele Wörter«, jammerte ich. Janice lachte.
Dann fiel unser Blick auf Tamara und Ben Reggio, die zum Haupteingang hineingingen, als es gerade klingelte.
»Ich muss mir Ben schnappen«, sagte Janice und lief los. »Er hat noch meine Lateinnotizen.«
»Bis nachher.« Ich ging durch den östlichen Eingang, wo sich morgens sonst der Hexenzirkel getroffen hatte, doch die Betonbänke waren leer. Cal war wohl schon reingegangen. Ich war enttäuscht, dass ich ihn nicht angetroffen hatte, aber ich war mindestens genauso erleichtert, dass ich Bree nicht hatte gegenübertreten müssen.
Am Mittag nieselte es draußen, träge Rinnsale zogen senkrechte Linien über die Fensterscheiben. Ich ging in die Mensa, ausnahmsweise einmal dankbar für ihre warme, dunstige Atmosphäre. Als ich mir ein Tablett geholt hatte und mich umguckte, sah ich den Hexenzirkel, der sich schon an einem Tisch in der Nähe der Fenster versammelt hatte. Raven und Bree waren nicht da, wie ich mit Erleichterung feststellte. Und auch Beth Nielson fehlte.
Ich ging hinüber und setzte mich neben Cal. Als er lächelte, war es, als käme die Sonne heraus.
»Hi«, sagte er und machte für mich Platz auf dem Tisch. »Bist du heute Morgen spät gekommen?«
Ich nickte und öffnete meine Cola light. »Gerade zum Klingeln.«
»Kann ich mir was nehmen?«, fragte er und stibitzte ein paar Pommes, ohne auf meine Antwort zu warten. Seine entspannte Vertrautheit weckte in mir ein warmes Glühen.
»Mom hat mir erzählt, dass du gestern Abend da warst«, sagte er. »Tut mir leid, dass ich dich verpasst habe.« Er drückte unter dem Tisch mein Knie. »Geht’s dir gut?«, fragte er leise.
»Ja, deine Mutter war richtig nett. Sie hat mir ein wenig Runenmagie gezeigt«, sagte ich und senkte die Stimme.
»Cool«, meinte Jenna und beugte sich über den Tisch. »Was zum Beispiel?«
»Verschiedene Runen für verschiedene Zwecke«, sagte ich. »Etwa Runen für Glück, Neubeginn, Frieden und Ruhe.«
»Haben sie funktioniert?«, fragte Ethan.
»Ja! «, sagte ich lachend. Als würde ein magischer Spruch von Selene Belltower nicht wirken. »Es wäre toll, wenn wir uns mit Runen befassen und alles darüber lernen könnten.«
Cal nickte. »Runen sind wirklich kraftvoll«, sagte er. »Sie werden schon seit Tausenden von
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