Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)
der Fahrer schlagartig auf das Bremspedal. Vermutlich waren sie gesichtet worden.
„Verdammt“, zischte Eduard. Etwas außerhalb ihrer Sichtweite kam das Auto zum Stehen. Unsold rührte sich nicht von der Stelle. Eine Wagentür wurde zugeschlagen. Kurz darauf eine zweite. Eduard musterte den Alten, der immer noch regungslos stehen blieb.
„Da haben wir ihn ja“, rief plötzlich eine männliche Stimme. Sekunden darauf kamen zwei Gestalten hinter dem Buschwerk hervor. Einer davon war der Sohn des Pförtners. Unsold begann sich zu regen. Langsam drehte er sich nach den beiden um. Im Abstand von ungefähr zwei Metern blieben sie vor ihnen stehen. Einer der beiden hielt ein Seil in der Hand.
„Du kannst dir deinen Baum noch raussuchen, an dem wir dich nun hängen werden“, rief ihm dieser zu. Grinsend schwang er das Seil hin und her.
Verzweifelt suchte Eduard nach einem Ausweg. Die einzige Möglichkeit, ihnen zu entkommen, war Flucht. Doch diese Aussicht sah er als sehr gering.
„Hat es dir die Sprache verschlagen?“ spottete Fetz. „Nun sag schon, welchen Ast hättest du gerne?“ Unmißverständlich ließ er seine Blicke an den Bäumen entlanggleiten.
Unsold rümpfte deutlich hörbar seine Nase. Verächtlich warf er dabei einen Blick auf die beiden Halbstarken .
„Was glotzt du mich so an?“ Fetz kam auf den Alten zugeschritten. Der andere blieb auf seinem Platz stehen, das Seil immer noch grinsend hin und her schwenkend.
„Ihr seid widerlich!“ zischte Unsold. Eduard wollte seinen Ohren nicht trauen, als er das hörte. Jäh packte Fetz den Alten mit beiden Händen am Kragen.
„Halt dein Maul, Alter“, fauchte er ihn an. „Sonst hängst du mit ihm!“
Unsold holte tief Luft. Plötzlich spuckte er seinem Gegenüber ins Gesicht. Gleichzeitig riß er sein Knie in die Höhe. Schmerzverzerrt fuhr Fetz zusammen. Unsold hatte ihm mit voller Wucht in die Weichteile geschlagen. Noch ehe der andere richtig wußte, was geschah, stand Eduard dicht neben ihm. Mehrmals hintereinander schlug er ihm gegen die Schläfe. Er hatte nicht einmal die Chance, sich zu wehren. Taumelnd machte er mehrere Schritte zurück. Blitzschnell streckte Eduard sein Bein aus. Mit dem Absatz traf er ihn am Hinterkopf. Ein geübter Tritt, der seinen Gegner sofort niederstreckte. Inzwischen hatte Unsold seinen Kontrahenten dermaßen bearbeitet, daß dieser blutüberströmt zu Boden fiel.
Eduard sah den Alten fassungslos an. „Das habe ich von dir nicht erwartet“, hauchte er ihm zu. Dieser wischte sich die verschmierten Hände an seiner speckigen Jacke ab. „Binden wir sie fest“, entgegnete er nur. Eduard nahm sich das Seil, an dem er normalerweise schon hängen sollte. Sie fesselten die beiden so an einen Baum, daß sie kaum die Möglichkeit hatten, sich zu rühren, wenn sie aus ihren Besinnungslosigkeit erwachten.
„Wir müssen ihr Auto verschwinden lassen“, sagte Eduard danach. „Ich nehme an, daß es von ihrer Sorte noch mehrere gibt.“
„Weiter oben befindet sich ein Waldweg“, erwiderte Unsold. Als hätte er so etwas schon des öfteren getan, begann er beinah fachmännisch die Taschen der Gefesselten zu durchsuchen.
„Ungefähr zweihundert Meter, rechter Hand“, murmelte er und streckte Eduard nach kurzem Suchen den Autoschlüssel entgegen.
*
Dr. Melby und Wilson waren es gelungen, zwei der Motorradfahrer, darunter eine junge Frau, unmittelbar nach Verlassen des Reviers zu stellen. Mit vorgehaltener Waffe zwang Wilson sie in das Fahrzeug zu steigen.
„Das ist Freiheitsberaubung“, protestierte sie zum wiederholten Male. „Ich zeig Sie deswegen an!“
„Das schert mich einen Dreck!“ fauchte Wilson zurück. „Ins Revier“, forderte er Melby auf. Melby sagte nichts dazu. Irgendwie kam ihm der Sheriff verändert vor. Er konnte sich nicht helfen, aber – ein ungutes Gefühl, das ihn plötzlich übermannte. Nach dem, was Wilson ihm immer wieder erzählte, mußte die vergangene Nacht furchtbar gewesen sein, und doch war er überraschend schnell wieder auf den Beinen. Verstohlen warf er ab und zu einen Blick in den Rückspiegel. Wilson hatte sich neben die beiden Festgenommenen gesetzt. Seinen Revolver schußbereit auf dem Schoß, gab er keinerlei Regungen von sich. Stillschweigend steuerte Melby den Wagen zum Revier. Zwischenzeitlich hatte der Wachhabende den Befehl ausgeführt und alle Einsatzwagen per Funk zurückbeordert.
„Aussteigen!“ befahl Wilson, nachdem Melby seinen Wagen direkt vor dem
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