Das Buch der Schatten - Schwarze Seelen: Band 7 (German Edition)
suchen, wonach du suchst. Mehr ist es nicht.«
» Wenn Sie das so sagen, klingt es wirklich simpel.«
» Die meisten Dinge sind simpel, wenn man sie einmal beherrscht. Warum übst du nicht zuerst mit dem Kristall?« Als er den Zweifel in meinem Blick sah, meinte er: » Behalt ihn hier, wenn du willst. Ich muss runter, um mir für meine Vorlesung ein paar Bücher anzusehen. Lass den Stein einfach auf dem Sessel liegen, wenn du fertig bist.«
Ich saß da und überlegte hin und her, während er nach unten ging. Ich wollte hier mitten im Laden nichts Kompliziertes versuchen, aber vielleicht konnte ich etwas Einfaches machen. Seit dem schrecklichen Abend, als Selene Mary K. entführt und sie als Köder benutzt hatte, um mich zu sich zu locken, machte ich mir Sorgen um meine Schwester. Sie schien sich nicht daran zu erinnern, dass sie in Selenes Haus gewesen war, ja sie schien sogar die erfundene Geschichte zu glauben, die wir meinen Eltern aufgetischt hatten– dass sie allein ins Kino gegangen sei, weil sie deprimiert war. Doch in letzter Zeit wurde sie öfter von Albträumen heimgesucht.
Da hatte ich endlich begriffen, dass man nichts unterschätzen durfte, was Selene getan hatte. Rational oder nicht, ich fragte mich seither, ob Mary K. womöglich noch immer unter dem Einfluss von Selenes Magie stand, obwohl diese tot war.
Den Kristall in der Hand haltend, bat ich ihn stumm, mir die Vision zu geben, die ich suchte. Ich stellte mir meine Schwester vor, wie sie zu Hause am Tisch saß, und bat den Kristall, dieses Bild anzunehmen. Fast hätte ich den Stein fallen gelassen, als Mary K.s Bild darin erschien. Winzig, perfekt und dreidimensional sah ich sie am Tisch sitzen. Dann bat ich den Kristall, sie mir in einer Woche zu zeigen.
Das Energiemuster jedes einzelnen Steins ist so charakteristisch wie das eines Menschen oder Tieres. Die Energie in diesem speziellen Kristall war kühl und glühte grünlich-weiß, sie wogte und schwoll an wie eine Meeresbrandung. Mehrere Atemzüge lang ließ ich meine Energie auf ihren sanften Wogen reiten. Dann schickte ich sie in die Zukunft.
Das Bild in dem Halbmond veränderte sich. Jetzt sah ich Mary K. und ihre Freundin Jaycee aus dem Cineplex in Widow’s Vale kommen. Die Vision war so perfekt und detailliert, dass ich sogar das fehlende X auf dem Vordach erkennen konnte.
Dann spürte ich etwas Seltsames, einem kaltem Zug im Nacken gleich. Erschrocken fuhr ich herum. Beobachtete mich jemand? Auch wenn andere Hexen sich hier aufhielten, wusste ich, dass es keine gute Idee war, in der Öffentlichkeit Magie zu wirken. Doch auf der Galerie konnte ich sonst niemanden erkennen, und als ich meine Sinne auswarf, spürte ich auch niemanden in der Nähe.
Ich konzentrierte mich wieder auf den Kristall, doch da merkte ich, dass ich müde wurde, was ziemlich oft passierte, wenn ich eine neue Stufe der Magie erreichte. Da ich wusste, dass ich den magischen Spruch nicht mehr lange halten konnte, dankte ich dem Stein für seine Hilfe und zog meine Kraft daraus zurück. Das grünlich-weiß glühende Licht verblasste und die Vision meiner Schwester verlosch.
Ich hatte es getan. Ich hatte eine Vision heraufbeschworen und genau das gesehen, was ich sehen wollte. So sollte Magie funktionieren.
Ich stand auf, aber mir war so schwindlig, dass ich mich schnell in den Sessel setzte. Vage war ich mir bewusst, dass Bree sich womöglich fragte, wo ich abgeblieben war. Ich sagte mir, ich würde nur so lange sitzen bleiben, bis mein Puls wieder normal war. Doch eine Welle der Erschöpfung überkam mich und meine Glieder wurden schwer. Mein Kopf sank auf die Brust. Ich konnte die Augen nicht mehr offen halten.
Alles wird düster. Die Eule lauert über dem Steintisch. Rasiermesserscharfe Klauen und goldene Augen. Das hohe Lachen des Schakals erklingt. Von den Giftzähnen der Viper tropft Gift. Der Jaguar streckt die Klauen aus. Hunger, der niemals gestillt werden kann. Das Wiesel kriecht so nah, dass seine Pfoten über den Tisch scharren. Kerzen brennen herunter und werfen Schatten an die Wände. Überall goldene Augen, grüne Augen, funkelnd, gespannt. Alle auf das Wolfsjunge gerichtet. Alle in Lauerstellung. Das Entsetzen des Wolfsjungen, scharf und stechend. Der rote Rubin in dem Griff des Athame glüht vor magischer Kraft. Der Schrei des Adlers. Und der silberne Wolf. Der, auf den alle warten. Er springt auf den Tisch und reißt sein großes Maul auf. Das Wolfsjunge heult.
» Geht es dir gut?« Jemand
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