Das Buch der Schatten - Schwarze Seelen: Band 7 (German Edition)
mich geopfert. Ich hatte das noch nicht ganz verkraftet, weder die Tatsache, dass der schöne Junge, den ich so sehr geliebt hatte, tot war, noch dass er es meinetwegen war.
Auch Selene war in jener Nacht gestorben– und obwohl ich keineswegs die Absicht gehabt hatte, sie umzubringen, quälte mich die Angst, mit meiner Magie irgendwie zu ihrem Tod beigetragen zu haben. Ich hatte noch nie miterlebt, wie jemand starb. Es war so endgültig und leer und schrecklich. Selene und Cal in dem einen Augenblick lebendig zu sehen und im nächsten tot hatte mich verändert. Trotz ihrer ungeheuren magischen Kräfte waren sie so sterblich gewesen wie jeder andere auch. Seit dieser Nacht sah ich die, die ich kannte und liebte, mit anderen Augen. Wir waren alle zerbrechlich, konnten alle so leicht ausgelöscht werden. Ich musste unwillkürlich wieder darüber nachdenken, während ich in diesen wunderschönen Morgen hineinfuhr.
» Alles klar bei dir?«, fragte Hunter leise. » Wenn du das Lenkrad noch fester packst, reißt du es gleich von der Lenksäule.«
» Mir geht’s gut.« Ich zwang mich, die Hände zu entspannen.
» Denkst du an Selene und Cal?«, fragte Hunter. Er besaß ein sehr feines Gespür für meine Gefühle. Niemand hatte mich je mit solcher Präzision durchschaut. Manchmal fühlte ich mich dabei verwundbar und entblößt, doch manchmal hatte es auch etwas seltsam Tröstliches. In diesem Augenblick war es ein wenig von beidem.
Ich nickte, als wir an einer Ausfahrt vorübersausten. Hunter und Cal hatten sich nicht ausstehen können. Sie waren vom ersten Augenblick an Feinde gewesen. Doch Hunter wusste, dass ich Cal geliebt hatte, und er gab sich Mühe, das zu respektieren. Mehr als jeder andere verstand er, was es mich gekostet hatte, meine magischen Kräfte zu entdecken.
» Lass uns über was anderes reden«, sagte ich. » Können wir die Einzelheiten meiner Vision noch einmal durchgehen? Mir ist immer noch nicht ganz klar, was wir jetzt machen sollen.«
» Wir sollen gar nichts machen«, entgegnete Hunter. » Du hältst dich da raus. Ich will nicht, dass du ein Risiko eingehst, Morgan.«
Augenblicklich war ich verärgert. In den zwei Tagen, seit der Rat in Kontakt mit Hunter getreten war, hatten wir diese Auseinandersetzung schon mehrfach geführt. Weil ich den Traum gehabt hatte, bat der Rat mich, Hunter zu begleiten, falls er zum Beispiel Rückfragen hatte. Und natürlich wollte ich mitkommen. Schließlich war es mein Traum. Abgesehen davon gefiel mir der Gedanke, mit Hunter nach New York zu fahren.
Doch Hunter war nicht gerade begeistert gewesen von der Idee. » Es ist zu gefährlich«, hatte er rundheraus erklärt. » Dass ausgerechnet du dich in ein Nest von Woodbane-Hexen begibst…«
Wie er mir erklärt hatte, ging der Rat davon aus, dass Selene im Auftrag von Amyranth gehandelt hatte und dass es möglich war, dass sie mich immer noch im Visier hatten. Ich konnte nicht behaupten, dass diese Aussicht mich nicht ängstigte. Aber Selene lebte nicht mehr, und in den Wochen seit ihrem Tod war mir nichts Böses widerfahren, sodass ich mich allmählich etwas sicherer fühlte. Immerhin so sicher, dass mein Wunsch, Hunter zu begleiten, stärker war als meine Angst.
» Der Rat findet, ich sollte mitkommen«, hatte ich widersprochen.
» Der Rat ist ein Haufen…« Er hatte nicht weitergeredet und die Lippen verärgert zusammengekniffen. Ich machte große Augen. War er wirklich kurz davor gewesen, über den Internationalen Rat der Hexen herzuziehen?
» Sie bedenken nicht immer das Risiko für den Einzelnen«, hatte er nach einer Weile gesagt. » Sie sind nicht hier draußen und machen die Kleinarbeit. Egal, du kannst auch gar nicht mit. Du musst in die Schule. Deine Eltern werden dir nicht erlauben, zwei Tage freizumachen, nur weil ein Haufen Hexen in London findet, du solltest mitfahren.« Da hatte er, wie ich zugeben musste, recht.
Doch dann war der Heizkessel in der Schule kaputtgegangen, und Bree hatte vorgeschlagen, Hunters Auftrag mit einem Ausflug nach New York zu verbinden, wo ihr Vater eine Wohnung besaß. Nach langer Diskussion hatten meine Eltern es mir erlaubt, und danach fielen nicht mal mehr Hunter noch gute Gründe ein, warum ich zu Hause bleiben solle. Ich lächelte bei dem Gedanken daran. Da hatte wohl das Schicksal seine Hand im Spiel gehabt.
Am späten Mittwochabend hatte sich unser Ausflug auf sechs Mitglieder unseres Hexenzirkels Kithic erweitert: Sky kam mit, weil die beiden sich immer
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