Das Buch der Sünden
Damek herum, als sie sich Putgarde näherten. «Ich bräuchte etwas Geld. Ein paar Silbermünzen müssten ausreichen.»
«Geld?», erwiderte Helgi. «Willst du Räucheraal kaufen?»
«Ja, natürlich. Und Heringe. Aber … außerdem soll ich ein Kleid kaufen, das aus einem kostbaren Stoff hergestellt wird. Man nennt ihn Seide.»
«Ein Seidenkleid? Doch nicht etwa für Dobrica?»
«Doch. Sie will sich mir nur noch hingeben, wenn ich ihr ein solches Geschenk mitbringe.»
Helgi verdrehte die Augen, konnte sich aber ein Lächeln nicht verkneifen.
Inzwischen hatten sie die Ausläufer des Zeltlagers erreicht, und je näher sie Putgarde kamen, desto tiefer versanken die Pferdehufe im Schlamm des von Radspuren gefurchten Weges. Helgi wählte für ihr Zelt einen freien Lagerplatz, der etwas höher gelegen war. Andere Besucher, die bereits in den Vortagen bei Sonnenschein eingetroffen waren, hatten ihre Zelte in windgeschützten Mulden aufgeschlagen, in denen sich jetzt das Regenwasser sammelte.
Helgi und Damek luden die Pferde ab und begannen mit der Errichtung ihres Zeltes. Eigentlich war dies keine Arbeit für einen Wojwoden. Helgi hatte jedoch nur Damekals Begleitung mitgenommen, denn in Ralsvik gab es nach dem Winter reichlich zu tun. Heringe, Dorsche und Plattfische mussten gefangen, Saatgut ausgebracht und Hausdächer nach dem Winter geflickt werden. Dabei wurde jede helfende Hand gebraucht – und jede Hand, die mit einer Waffe umgehen konnte. Helgi rechnete zwar nicht mit einem Angriff von Seeräubern oder Obodriten, war aber wachsam, solange Tetĕslav noch immer frei herumlief. Die Suche nach dem Flüchtigen war erfolglos gewesen. Das war kein Wunder: Rujana war von dichten, sumpfigen Wäldern überzogen, in denen sich ein erfahrener Jäger wie Tetĕslav jahrelang verstecken konnte. Es gab aber auch Männer, die glaubten, er wäre längst über den Sund auf das Festland geflohen.
Nachdem sie die Haselstangen zu einem Zeltgerüst montiert, die breite Stoffbahn darüber ausgebreitet und sie am Boden fixiert hatten, schleppten sie ihr Hab und Gut unter das schützende Zeltdach. Damek wollte gerade die Felle für ihr Lager ausbreiten, als Helgi ihm einen Lederbeutel reichte, in dem einige Münzen klimperten.
«Hier drin ist unser ganzes Geld», sagte er. «Tu mir den Gefallen und gib nicht alles aus.»
Damek grinste breit, ließ den Beutel unter seinem Mantel verschwinden und machte sich in Richtung des Marktplatzes davon. Helgi folgte ihm zum Zelteingang und beobachtete lächelnd, wie sich der beleibte Toblac mit watschelnden Schritten entfernte.
Während Helgi noch damit beschäftigt war, das Zelt einzurichten, rief plötzlich von draußen jemand seinen Namen. Als er die Stimme erkannte, spannte er sich unwillkürlich an. Er atmete tief durch, trat an den Zelteingang und schlug die Bahnen auseinander.
König Ratibor erwartete ihn mit einem guten Dutzend weiterer Männer, unter denen sich zu Helgis Unbehagen auch Anatrog befand. Anatrog war der Wojwode der Provinz Ghynxt, die im Westen an die Provinz Ralsvik grenzte, und er hatte Helgi mehrfach seine Abneigung spüren lassen.
«Ich freue mich, dich zu sehen», grüßte Ratibor freundlich. «Wir sind uns lange nicht mehr begegnet. Geht es dir gut?»
Helgi suchte fieberhaft nach den richtigen Ausdrücken in der Sprache der Ranen. Er wollte unbedingt einen guten Eindruck auf den König machen. Zwar hatte dieser sich überaus großzügig gegen ihn gezeigt, Helgi hatte aber noch immer das Gefühl, unter Beobachtung zu stehen.
«Ich danke Euch, König Ratibor», erwiderte er, indem er die Worte sorgfältig wählte. «Ich bin zufrieden. Nur das Wasser fließt aus den Wolken …»
Er deutete gen Himmel und bemerkte erst jetzt, dass der Regen eine Pause eingelegt hatte.
Ratibor hob eine Augenbraue, ein Lächeln umspielte seine Lippen. «Man könnte auch sagen, es ist ein beschissenes Wetter.»
Helgi nickte schnell. «Ein beschissenes Wetter, genau.»
Die Männer lachten. Nur Anatrog bedachte Helgi weiterhin mit finsteren Blicken. Anatrog galt als ehemaliger Verbündeter Tetĕslavs, hatte sich jedoch nach dessen Flucht wieder dem König angedient, und der gutmütige Ratibor hatte ihm offenbar verziehen.
Der König machte einen Schritt in Helgis Richtung. «Ich habe Erkundigungen über dich eingeholt, und ich kann dir sagen, dass man nur Gutes über den Wojwoden vonRalsvik hört. Die Menschen scheinen dich sehr zu mögen und als ihren Herrscher zu
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