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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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zurück.
    «Da vorne liegt ein Mann», sagte er und deutete zum Hauseingang.
    Jetzt bemerkte auch Helgi den leblosen Körper. «Scheint ein Krieger zu sein», sagte er.
    «Sieht so aus, als habe ihn jemand mit Pfeilen gespickt», erwiderte Damek.
    «Ihr bleibt hier, falls der Schütze noch irgendwo hier draußen sein sollte», sagte Helgi.
    «Sei vorsichtig», warnte Damek. «Vielleicht wartet der Bogenschütze im Haus auf dich.»
    Doch Helgi achtete nicht auf die Warnung des Toblacs und trat auf den Bohlenweg. Er warf einen Blick auf den Toten, bei dem es sich augenscheinlich um einen Dänen handelte. Dann machte er einen Schritt über die Leiche hinweg und trat ins Haus. Stille empfing ihn. Er wagte kaum zu atmen. Das Blut rauschte in seinen Ohren wie ein Wasserfall. Einen kurzen Moment verharrte er bei der Tür, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. In der Feuerstelle glommen Glutreste, die ein schwaches Licht spendeten.
    Von draußen hörte er, wie sich Damek am Tor aufgeregt mit jemandem unterhielt. Helgi glaubte Ansgars Stimme zu erkennen, der den anderen offenbar nachgeeilt war. Und dann war da plötzlich noch ein Geräusch. Es kam aus dem Innern des Hauses und klang wie stockende, unregelmäßige Atemzüge. Helgi dachte sofort an die schwangere Teška.
    Bei Odin, flehte er, lass es noch nicht zu spät sein!
    Er ging an der Feuerstelle vorbei und näherte sich dem Bett. Im Zwielicht sah er darauf die Umrisse eines menschlichenKörpers. Teška? Irgendetwas stimmte nicht. Die Atemgeräusche waren ganz schwach, auch schienen sie aus einer anderen Richtung zu kommen.
    Helgi flüsterte Teškas Namen, doch er bekam keine Antwort. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er seine Hand nach ihr ausstreckte. Er spürte das Haar – und erstarrte. Es war nicht Teška, die auf dem Bett lag.
    In dem Moment waren von der Tür her die Geräusche von Stiefeln zu hören. Damek stürmte herein und rief nach Helgi. Der Toblac warf frische Scheite auf die Feuerstelle und entzündete an den emporzüngelnden Flammen eine Fackel. Feuerschein erfüllte den Saal.
    «Wo ist meine Duša?», stieß Damek keuchend hervor, als er neben das Bett trat.
    Helgi schüttelte fassungslos den Kopf. Er hatte Žiliška seit der Hochzeit nicht mehr gesehen. Nun war sie zurückgekehrt und lag auf seinem Bett. Ihre Lippen waren wie zu einem letzten Schrei geöffnet, ihre Augen weit aufgerissen. Ihr Gesicht war aschfahl und der Stoff ihrer Tunika vom Blut getränkt, das aus einer Wunde über ihrer rechten Brust ausgetreten war.
    «Aber   … wo ist meine Duša?», wiederholte Damek.
    Plötzlich waren wieder die Atemzüge zu hören, und dieses Mal schienen sie sehr nah zu sein. Helgi wirbelte herum und glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Was da auf ihn zukam, schien mehr tot als lebendig zu sein: Im ersten Augenblick glaubte er, einem Untoten gegenüberzustehen, einem Wiedergänger. In der Kehle des Mannes klaffte ein großes Loch. Blut pulsierte in Stößen aus der klaffenden Wunde. Dann endlich erkannte Helgi den Mann, der gerade seinen Langbogen spannte und einen Pfeil auf Helgis Oberkörper richtete.
    «Tetĕslav!», rief Helgi entsetzt.
    Das Gesicht des Jägers verzog sich zu einer Grimasse. Tetĕslav schwankte wie ein Betrunkener, doch die Pfeilspitze zeigte noch immer in Helgis Richtung.
    «Lass den Bogen sinken», zischte Damek und machte mit der Fackel einen Schritt auf Tetĕslav zu.
    Der Mund des Jägers öffnete sich. «Ich   … ich nehme den Dänen mit ins Reich der Toten   …» Seine Pfeilhand zitterte. Der Bogen war zwar nur zur Hälfte gespannt, aber auf die kurze Entfernung würde die Wucht ausreichen, um die Pfeilspitze tief in Helgis Brust zu treiben.
    Helgis Gedanken überschlugen sich. Er sah keine Möglichkeit, sich aus der Schusslinie zu werfen. Der todgeweihte Feind brauchte nur Daumen und Zeigefinger zu öffnen und den Pfeil freizugeben. Dennoch schoss Tetĕslav noch immer nicht.
    In dem Moment tauchten Ingvar und Ansgar in der Tür auf. Ingvar wollte nach Helgi rufen, brachte aber keinen Laut hervor, als er den Bogenschützen entdeckte.
    «Gib auf, Tetĕslav», zischte Damek und machte einen weiteren Schritt in dessen Richtung. «Du hast verloren. Wirf den Bogen weg. Du wirst eine ordentliche Verhandlung bekommen. Das verspreche ich dir.»
    Tetĕslav beachtete Damek nicht. Es schien ihm die größte Anstrengung zu bereiten, den Bogen noch länger auf Spannung zu halten. «Der Däne muss   … er muss  

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