Das Buch der Sünden
Amboss und fragte sich immer wieder, wie er allein eine Axt oder ein Schwert herstellen sollte. Dann beschloss er, sich trotz der Zweifel an die Arbeit zu machen.
Zunächst würde er das Feuer wieder entzünden müssen. Er schaufelte die verglühten Kohlereste aus der Esse und schüttete eine neue Schicht hinein, in deren Mitte er eine kleine Mulde aushob. Darin entzündete er trockenes Holz. Als die Kohle glimmte, begann Helgi den Blasebalg zu betätigen. Er blies so lange Luft ins Feuer, bis die Kohle abgeflammt war. Denn – so hatte Einar es ihm beigebracht – erst nachdem die dunkelblauen Flammen und der gelbbraune Qualm, der sich vom Schmiedefeuer in den Abzug erhob, verschwunden waren und die Kohle glühte, konnte man den Stahl hineinlegen, ohne dass er brüchig wurde.
Nun drückte Helgi ein Stück Eisen ins Feuer, bis es von der Glut umhüllt wurde. Anschließend häufelte er mit einer Schaufel eine weitere Schicht darüber, während er unablässig den Blasebalg betätigte. Ab und an legte erdas Eisen frei, um dessen Farbe zu kontrollieren. Als es kirschrot glühte, nahm er es aus dem Feuer.
Zügig, aber ohne Hast beförderte er nun das Eisen mit der Zange zum Amboss, nahm den Hammer und begann damit, das Werkstück zu bearbeiten. Dabei führte er den Hammer so, wie er es Einar abgeguckt hatte. Immer wieder hatte der Alte ihm eingebläut, dass der Hammer genau die Stelle treffen müsse, die auf dem Amboss auflag. Ansonsten würde das freie Ende des Stahls durch die Wucht des Aufpralls weggerissen.
Allmählich gewann Helgi an Sicherheit, seine Schläge wurden kräftiger und präziser – und was ihn am meisten verwunderte: Er fand immer mehr Gefallen an der Arbeit.
Da nahm er plötzlich vor dem geöffneten Fenster eine Bewegung wahr. Aus den Augenwinkeln sah er, dass jemand vor dem Haus stehen geblieben war und in seine Richtung schaute.
Es war Rúna!
Von ihrem Anblick abgelenkt, schlug Helgi den Hammer auf die falsche Stelle. Das Eisen löste sich aus der Zange. Helgi sprang geistesgegenwärtig zur Seite. Nur um Haaresbreite verfehlte das glühende Stück seine Füße.
Als er wieder durch das Fenster schaute, war das Mädchen verschwunden.
Fluchend schleuderte Helgi den Hammer in eine Ecke.
«Das sah doch gar nicht schlecht aus», sagte Gullweig. Sie lehnte mit verschränkten Armen in der Tür zur Werkstatt.
Helgi starrte seine Mutter an. «Wie lange beobachtest du mich schon?»
«Lange genug, um zu wissen, dass aus dir ein guterSchmied werden kann – allerdings nur, wenn du dich nicht von einer Frau ablenken lässt.»
Helgi stöhnte auf. Manchmal wurde ihm angst und bange angesichts der Aufmerksamkeit seiner Mutter. Nichts, aber auch gar nichts schien ihren wachsamen Augen zu entgehen.
«Ich lasse mich nicht von Mädchen ablenken», maulte er.
Er klaubte das erkaltete Werkstück mit der Zange vom Boden auf und legte es wieder auf den Amboss.
«Du weißt ganz genau, was ich meine», entgegnete Gullweig. Sie wandte sich zum Gehen.
Dann sagte sie: «Es ist besser, wenn du die Arbeit für heute beendest. Dein Vater braucht jetzt Ruhe.»
Nichts lieber als das, dachte Helgi und legte die Werkzeuge beiseite.
«Warum machst du nicht einen kleinen Spaziergang?», fragte Gullweig. Mit einem hintergründigen Lächeln fügte sie hinzu: «Ein bisschen Abwechslung tut dir sicher gut. Und wer weiß, wen du unterwegs so alles triffst.»
Sie warf ihm einen vielsagenden Blick zu und ließ ihn allein.
14.
Von der Sklavin war weit und breit nichts zu sehen.
Helgi war zum Hafen hinuntergelaufen, in der Hoffnung, dass die junge Frau ebenfalls diesen Weg eingeschlagen hatte. Vielleicht sollte sie für Gizur etwas besorgen. Aber offensichtlich hatte sie einen anderen Auftrag gehabt.
Dafür entdeckte Helgi den roten Haarschopf seines Freundes Ingvar, der auf einer Landebrücke mit einem Händler redete. Der Händler gehörte zu einem bauchigen Handelsschiff, einer
knörr.
Das Schiff hatte längsseits an der Brücke festgemacht. Es war ein Segelschiff mit breitem Deck. Mittschiffs besaß es einen offenen Laderaum, der mit Fässern, Kisten, Ballen sowie Pferden und Schweinen vollgestopft war. Die Mannschaft, etwa ein Dutzend bärtiger Kerle, lud das Schiff aus. Man wollte die Waren von Haithabu aus über den Landweg bis zum westlich gelegenen Hafen Hygelac karren. Von dort aus sollten die Güter über das Nordmeer ins Reich der Franken verschifft werden.
Die Häuser von Haithabu reichten inzwischen bis dicht
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