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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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an das Noorufer. Helgi trat zwischen den Gebäuden hindurch. Er ging zur Landebrücke, um Ingvar zu begrüßen.
    Überall waren die Geräusche von Hämmern und Äxten zu hören. Die von Hovi bezahlten Arbeiter nutzten jede noch so kleine Freifläche für den Bau der Kriegsschiffe. Schreiner, Stevenmacher, Plankenschneider und einfache Handlanger waren am Werke.
    Helgi konnte vier im Bau befindliche Langschiffe ausmachen. Man hatte sie auf Holzgerüsten auf Kiel gelegt. Vorder- und Achtersteven wurden mit Stangen abgestützt. Einige der Rümpfe waren bereits mit Planken versehen, zwischen denen man nun die inneren Stützhölzer einbrachte.
    Es war offensichtlich, dass Hovi sich für seinen bevorstehenden Kriegszug Großes vorgenommen hatte. Jedes der Langschiffe würde mehr als fünfzig Männer aufnehmen können. Wenn die Arbeiten weiterhin so raschvoranschritten, würde Hovis Flotte im kommenden Jahr mindestens fünfzehn Schiffe zählen – eine schlagkräftige Armee, mit der er gegen Rom fahren wollte. Vorausgesetzt, er brachte eine ausreichende Anzahl an Kriegern zusammen. Bislang hatte er höchstens einhundert Mann um sich geschart.
    Helgi stürzte sich ins Getümmel und schlängelte sich zwischen Schiffbauern und anderen Männern hindurch. Überall wurden Waren aus den Handelskähnen geräumt. Die Sachen schleppte man entweder zu den wartenden Ochsenwagen oder verstaute sie in den Lagerschuppen am Fuß der Landebrücken.
    Ingvar hatte Helgi noch nicht bemerkt. Der Kammmacher war in das Gespräch mit dem Händler vertieft. Offensichtlich ging es dabei um den Verkauf einer Ladung Hirschgeweihe, die zu ihren Füßen gestapelt war. Sowohl der Händler als auch Ingvar wirkten angespannt. Sie gestikulierten mit Armen und Händen; ihre Verhandlungen schienen schwierig zu sein.
    Helgi wollte seinen Freund nicht stören. Er ließ sich auf einer Kiste nieder. Mit ausgestreckten Beinen genoss er es, einmal gar nichts tun zu müssen, und schaute den anderen bei der Arbeit zu. Seit Wochen bestanden seine Tage darin, Einar von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang in der Schmiede zur Hand zu gehen. Arbeit, Arbeit, nichts als Arbeit.
    Plötzlich verstummte das Gemurmel. Handwerker ließen ihre Werkzeuge sinken und schauten zum Fjord hinüber. Auch die Schiffshelfer stellten Fässer und Stoffballen ab. Irgendetwas auf dem Wasser hatte ihre Aufmerksamkeit geweckt.
    Helgi kletterte auf die Kiste, um besser sehen zu können.Ein mit einem einzigen Mann besetztes Boot näherte sich dem Ufer. Es war Björn Fiskari, der sein Boot einhändig rudernd zwischen Landbrücken und Schiffskörpern hindurchmanövrierte. Der Kahn schwankte bedrohlich hin und her. Björn musste all seine Kraft und sein Geschick aufbringen, um nicht zu kentern.
    Einige der herumstehenden Männer begannen zu lachen. Dann stimmten immer mehr Männer ein. Ihre Heiterkeit schwoll rasch an zu einem grölenden Gelächter. Denn die Ursache für Björns missliche Lage war ein gewaltiger, mindestens sieben bis acht Fuß langer Fisch, der an Deck des kleinen Bootes einen regelrechten Tanz vollführte.
    Noch nie hatte Helgi solch einen grünlich schimmernden Fisch gesehen. Der Schädel des langgestreckten Tiers lief in einer platten Schnauze aus. Seine Flanken waren mit knochenähnlichen Platten besetzt. Der Fisch schlug mit Kopf und Schwanzflosse um sich, während Björn versuchte, mit der einen Hand den Kopf des Tieres festzuhalten und mit der anderen zu rudern. Netze, Schnüre und Angeln flogen über Bord. Den Segelmast hatte der Fisch bereits abgeknickt.
    Auch Helgi konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er überlegte gerade, ob er dem Fischer bei der Landung beistehen sollte, als sich eine Frau aus der Menschenmenge löste und ans Ufer rannte.
    Aber was war diese Frau nur für ein Wesen? Sie war mit Abstand der hässlichste Mensch, den Helgi jemals gesehen hatte. Ein wahres Ungetüm! Sie war so breit wie hoch, ihr Gesicht war eine schwammige Masse, ihre Haut mit eingebrannten und geätzten Mustern verziert. An den Ohren und in den Nasenflügeln steckten DutzendeSilberringe. Die blaubeerfarbenen Haare waren kurz geschnitten und standen von ihrem Kopf ab wie die Stacheln eines Igels.
    Die Frau watschelte auf das Wasser zu. Dort angekommen, raffte sie den Rock. Dadurch entblößte sie ihre fetten, ebenfalls tätowierten Waden und stapfte in den Schlamm. Es kam, wie es kommen musste: Ihr Leib versank nach wenigen Schritten knietief im Schlick. Sie verlor den Halt und kippte

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