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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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jemanden anzutreffen, der damals dort gearbeitet hatte, war gleich Null, aber was hatte er zu verlieren?
    Doch als er an den entsprechenden Hausnummern vorbeifuhr, erlosch auch noch das letzte Fünkchen Optimismus in ihm. Wo damals das Excelsior und das Crossley gestanden hatten, waren jetzt Parkplätze, und das Grande Royale hatte sich in die »Shining Light Mission« verwandelt.
    Milo wendete und fuhr wieder zur Hall of Records, wo er sich die Grundsteuerdaten zu allen drei Anwesen vornahm. Die Parkplätze waren an eine Firma in Nevada verpachtet, aber der Grund und Boden gehörte einer Firma namens Concourse Elegance, Inc., über die er wiederum auf Concourse-Kfz-Instandsetzung am van Nuys Boulevard stieß. Vance Courys Werkstatt. Der Junior hatte die Gebäude geerbt und zwei davon abreißen lassen, um sie durch pflegeleichte, einträgliche Asphaltflächen zu ersetzen.
    Die Shining Light Mission war allerdings interessant. Sie gehörte zur Shining Light Foundation, einer gemeinnützigen Organisation, die von dem Pfarrerehepaar Fred und Glenda Stephenson geleitet wurde. Milo kannte die beiden noch aus seinen Tagen als Uniformierter; damals hatte er öfter Penner zu der Suppenküche der Stephensons in San Pedro gekarrt. Er hatte die beiden als wahre Heilige in Erinnerung, die sich zwanzig Stunden am Tag dem Dienst an den Armen widmeten. Coury hatte wahrscheinlich das dritte Grundstück im Rahmen irgendeines Steuerdeals abgegeben, um am Ende mit den anderen beiden frei und unbelastet dazustehen.
    Milo kam sich vor wie Don Quichotes unterbelichteter Bruder, als er sich anschließend den Sterberegistern zuwandte. Und hielt erstaunt die Luft an, als er einen unerwarteten Treffer landete.
    Luke Matthew Chapman, 22, war vor zwanzig Jahren bei einem Badeunfall ums Leben gekommen.
    Sterbedatum: 14. Dezember. Sechs Monate nach dem Mord an Janie Ingalls. Acht Tage vor Caroline Cossacks letztem Tag in Achievement House, neun Tage vor der »Hinrichtung« von Boris Nemerov.
    Er rief im Leichenschauhaus an und erwischte eine der wenigen freundlichen Stimmen, die ihm dort zur Verfügung standen: einen Mitarbeiter, der sich als Homosexueller geoutet hatte, nachdem er von Milos Leidensgeschichte im Department erfahren hatte. Milo fühlte sich nicht ganz wohl in der Rolle des Vorreiters, aber der Junge war ihm gelegentlich schon sehr von Nutzen gewesen.
    Heute stellte Darren keinerlei Fragen, sondern machte sich sofort auf die Suche nach der Akte. Milo wäre nicht überrascht gewesen, wenn wieder einmal Dokumente auf geheimnisvolle Weise abhanden gekommen wären, aber schon nach wenigen Minuten hatte er alle relevanten Angaben in seinem Notizblock vermerkt:
    Luke Chapman hatte seinen Wagen nachts am Pacific Coast Highway geparkt und war schwimmen gegangen, verbotenerweise, da alle öffentlichen Strande nach Einbruch der Dunkelheit gesperrt waren; Chapman hatte über einen hohen Maschendrahtzaun klettern müssen. Sein Blutalkoholwert lag um das Doppelte über dem gesetzlichen Limit, und Milo fragte sich, wie er in diesem Zustand den Zaun hatte überwinden können. Der amtliche Leichenbeschauer jedenfalls hatte die Theorie vertreten, dass »dieser wohlgenährte junge Weiße« von der Strömung erfasst worden sei und auf Grund seines volltrunkenen Zustands die Kontrolle über seine Bewegungen verloren habe. Das Wasser in seinen Lungen bewies, dass er tatsächlich ertrunken war. Die Leiche war am anderen Ende des Zuma Beach an Land gespült worden, dort, wo der öffentliche Strand an Broad Beach angrenzte. Der Körper wies multiple Prellungen und Abschürfungen auf, charakteristische Verletzungen, wie sie von Brandung und Sand hervorgerufen wurden. Keine erkennbaren Hinweise auf ein Verbrechen.
    Keine offensichtlichen Hinweise, es sei denn, man zog es vor, die Blutergüsse an Chapmans Armen und Beinen dadurch zu erklären, dass er mit Gewalt unter Wasser gedrückt worden war. Und wenn man wusste, dass Zuma Beach ein bevorzugter Party-Treffpunkt für die King's Men gewesen war.
    Milo rief sich Chapmans nichts sagenden Gesichtsausdruck ins Gedächtnis. Der Hohlkopf der Truppe. War er bei dem Mord an Janie Ingalls dabei gewesen, und hatte er den Schock über die grausige Tat monatelang mit sich herumgetragen, ohne je darüber hinwegzukommen? Hatte er sich vielleicht irgendwann zugesoffen und in Gegenwart seiner Kumpels ein paar unpassende Bemerkungen fallen lassen, wodurch er zu einer extremen Belastung für sie geworden war? Hatte er sich

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