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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Rauschen des Verkehrs auf dem Santa Monica, ein wenig Vogelgezwitscher, das Dröhnen eines unsichtbaren Rasenmähers. Die Straße sah verwahrlost aus, Abfall verstopfte die Rinnsteine. Er fragte: »Inwiefern ist der Vater randständig, abgesehen davon, dass er ein Säufer ist?«
    »Einer von diesen Typen, die kein Bein auf den Boden kriegen«, antwortete Schwinn. »Bowie Ingalls heißt er, macht mal dies, mal das. Es heißt, dass er früher mal Wettscheine für einen schwarzen Buchmacher in Downtown eingesammelt hat, schöne Karriere für einen Weißen, was? Vor einigen Jahren hat er mal als Kurier bei den Paramount-Studios gearbeitet und hat allen Leuten erzählt, er sei beim Film. Wettet bei Pferderennen, hat ein bescheidenes Strafregister, meistens wegen Trunkenheit und Erregung öffentlichen Ärgernisses, ein paar unbezahlte Strafzettel. Vor zwei Jahren ist er mal wegen Hehlerei festgenommen worden, aber es ist nie zur Anklage gekommen. Ein kleiner Fisch, in jeder Beziehung.«
    Einzelheiten. Schwinn hatte die Zeit gefunden, sich Bowie Ingalls' Akte zu besorgen.
    »Ein Kerl wie der, und zieht ein Kind groß«, sagte Milo.
    »Ja, ist eine grausame Welt, in der wir leben, wie? Janies Mutter war Stripperin und hat gefixt; als Janie noch ein Baby war, ist sie mit nem Hippie durchgebrannt und hat sich in Frisco den goldenen Schuss gesetzt.«
    »Hört sich an, als hättest du eine ganze Menge rausgefunden.«
    »Meinst du?« Schwinns Stimme klang plötzlich kalt und abweisend, und seine Augen hatten wieder diesen harten Ausdruck. Glaubte er, Milos Bemerkung sei sarkastisch gemeint gewesen? Milo war sich selbst nicht sicher, ob er sie sarkastisch gemeint hatte oder nicht.
    »Ich muss noch viel lernen«, sagte er. »Da hab ich meine Zeit mit diesen Hampelmännern von der Vermisstenabteilung vergeudet, und in der Zwischenzeit hast du all diese.. «
    »Kriech mir nicht in den Arsch, Jungchen«, sagte Schwinn, und plötzlich war sein kantiges Gesicht nur noch Zentimeter von Milos Gesicht entfernt, sodass Milo das billige Aftershave und die Salsa Verde riechen konnte. »Ich hab einen Scheißdreck gemacht, und ich weiß einen Scheißdreck. Und du hast noch viel weniger als einen Scheißdreck gemacht.«
    »He, tut mir Leid, wenn…«
    »Scheiß drauf, Jungchen! Glaubst du denn, das hier wäre irgend so ein Spiel? Wie deine komische Magisterprüfung, du gibst deine Hausaufgaben ab, kriechst dem Lehrer in den Arsch und steckst dein kleines Arschkriecher-Diplom ein? Denkst du wirklich, dass es darum geht?«
    Er redete so schnell, dass es schon nicht mehr normal war. Was hatte ihn nur so in Fahrt gebracht?
    Milo schwieg. Schwinn lachte höhnisch, ließ sich so heftig in seinen Sitz zurückfallen, dass Milos schwerer Körper erbebte.
    »Ich will dir mal was sagen, mein Junge. Diese ganze andere Scheiße, die wir vom Gehsteig geschaufelt haben, seit ich dich mit mir rumfahren lasse - die Nigger und Pachucos, die sich gegenseitig abmurksen und dann ruhig abwarten, bis wir kommen und sie einsammeln, und wenn nicht, interessiert es auch keinen Furz, glaubst du wirklich, dass sich in der Mordkommission alles darum dreht?«
    Milos Gesicht glühte, vom Kinn bis zum Haaransatz. Aber er hielt den Mund.
    »Das hier…«, sagte Schwinn, indem er einen hellblauen Briefumschlag aus der Innentasche seines Jacketts zog und einen Stapel Farbfotos herausnahm. Das Logo eines Foto-Schnelldienstes. Die Instamatic-Fotos, die er an der Beaudry Avenue geschossen hatte.
    Er breitete sie auf seinem knochigen Schoß aus wie ein Wahrsager seine Karten, mit der Bildseite nach oben. Nahaufnahmen, die den blutigen, skalpierten Schädel des toten Mädchens zeigten. Intime Aufnahmen des leblosen Gesichts, der gespreizten Beine…
    »Das hier«, sagte er, »das ist es, wofür wir bezahlt werden. Mit dem anderen Krempel könnte jeder Bürohengst fertig werden.«
    Nach den ersten sieben Morden hatte Milo tatsächlich das Gefühl gehabt, bloß ein kleiner Büroangestellter mit Polizeimarke zu sein. Er wagte es nicht, Schwinn beizupflichten. Zustimmung machte den Mistkerl offenbar nur noch - »Du hast wohl geglaubt, das würde alles ein großer Spaß sein, als du dich gemeldet hast, um zu den großen Superhelden von der Mordkommission gehören zu dürfen«, sagte Schwinn. »Hab ich Recht?« Er redete noch schneller, schaffte es aber trotzdem, jedes Wort wie einen Peitschenhieb klingen zu lassen. »Oder vielleicht hast du ja dieses hohle Gerede aufgeschnappt, dass die

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