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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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weitere wurden überhaupt nicht vermisst, sondern waren nur Akteure in Scheidungsdramen, die von zu Hause weggelaufen waren, um bei dem Elternteil sein zu können, der nicht das Sorgerecht hatte. Blieben noch zwei verzweifelte Elternpaare, Mr. und Mrs. Estes in Mar Vista und Mr. und Mrs. Jacobs in Mid-City. Die Sorge war groß; Milo geizte mit Einzelheiten, wappnete sich für die persönliche Begegnung.
    Um halb zehn waren schon ein paar andere Detectives eingetroffen, aber Schwinn war nicht dabei, also legte Milo ihm eine Nachricht auf den Schreibtisch. Dann brach er auf.
    Um ein Uhr mittags war er wieder dort, wo er angefangen hatte. Ein neueres Foto von Misty Estes zeigte ein stark übergewichtiges Mädchen mit kurzem, lockigem Haar. Die Vermisstenabteilung von West L. A. hatte ihre statistischen Angaben falsch notiert: 48 Kilo anstatt 84. Hoppla, tut mir Leid. Milo ließ die weinende Mutter und den hypertonischen Vater an der Tür ihres Veteranenfonds-Bungalows stehen.
    Jessica Jacobs hatte in etwa die richtige Größe, war aber mit Sicherheit nicht das Mädchen von der Beaudry Avenue. Sie hatte extrem helle, wasserblaue Augen, während die des Opfers dunkelbraun waren. Wieder ein Fehler in den Akten: Bei der Vermisstenabteilung der Wilshire Division hatte es niemand für nötig befunden, die Augenfarbe zu vermerken.
    Schwitzend und müde verließ er das Haus der Jacobs, fand einen Münzfernsprecher, rief Schwinn an und erstattete Bericht über die nicht vorhandenen Resultate seiner Bemühungen.
    »Morgen, mein Junge!«, sagte Schwinn. »Sieh zu, dass du zurückkommst, wir haben hier vielleicht was.«
    »Was denn?«
    »Komm erst mal her.«
    Als er in das Büro der Mordkommission zurückkam, war die Hälfte der Schreibtische besetzt, und Schwinn balancierte auf seinem nach hinten gekippten Stuhl. Er trug einen adretten marineblauen Anzug, ein weiß auf weiß gemustertes Hemd aus irgendeinem glänzenden Stoff und eine goldfarbene Krawatte mit einer goldenen Nadel in der Form einer winzigen Faust. Er lehnte sich gefährlich weit zurück, während er einen Burrito von der Größe eines Neugeborenen verschlang, »Willkommen zu Hause, verlotterter Sohn.«
    »Ja.«
    »Du siehst beschissen aus.«
    »Danke.«
    »Keine Ursache.« Schwinn setzte sein typisches Korkenzieherlächeln auf. »Du hast also deine ersten Erfahrungen mit unserer hervorragenden Dokumentationsarbeit gemacht. Cops sind die Allerschlimmsten, Junge. Drücken sich vor Schreibarbeit, wo sie können, und wenn sie nicht drum herumkommen, bauen sie immer Scheiße. Wir haben es hier mit halben Analphabeten zu tun.« Milo fragte sich, wie es mit Schwinns Schulbildung bestellt war. Das Thema war nie zur Sprache gekommen. In der ganzen Zeit, die sie zusammen im Dienst verbracht hatten, war Schwinn nur mit einem Minimum an persönlichen Details herausgerückt.
    »Solche Tippfehler und Verwechslungen sind die Regel, mein Junge. Die Akten der Vermisstenabteilung sind die schlimmsten, weil die Jungs genau wissen, dass ihre Arbeit letztlich oft für die Katz ist. Wenn so ein Herumtreiber wieder heim zur Mama kommt, macht sich meistens niemand die Mühe, ihnen Bescheid zu sagen.«
    »Zu den Akten, aus dem Sinn«, sagte Milo in der Hoffnung, ihn mit einer zustimmenden Bemerkung zum Schweigen zu bringen.
    »Zu den Akten, drauf geschissen. Deshalb hatte ich es nicht so eilig, die von der VA aus ihren Sesseln hochzujagen.«
    »Du musst es ja wissen«, sagte Milo.
    Schwinns Augen wurden hart. Milo sagte: »Also, was ist denn nun so interessant?«
    »Vielleicht interessant«, verbesserte Schwinn. »Eine meiner Informationsquellen hat ein paar Gerüchte aufgeschnappt. Eine Party in der Westside, zwei Tage vor dem Mord. Samstagabend, droben am Stone Canyon, Bel Air.«
    »Kinder reicher Eltern.«
    »Kinder stinkreicher Eltern, haben wahrscheinlich Mommys und Daddys Haus zweckentfremdet. Meine Quelle sagt, die Jugendlichen wären von überall her gekommen, hätten sich bekifft und einen Heidenlärm gemacht. Und die Quelle kennt auch einen Typen, der hat eine Tochter, die mit ihren Freunden losgezogen ist, eine Zeit lang auf der Party war und seitdem nicht mehr nach Hause gekommen ist.« Vielleicht interessant.
    Schwinn grinste und biss in seinen Burrito. Milo hatte den Kerl als arbeitsscheuen Langschläfer eingeschätzt, der schon auf seine Pension schielte, und nun stellte sich heraus, dass dieser Scheißkerl Überstunden gemacht, eine Solovorstellung hingelegt und tatsächlich

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