Das Buch der Toten
leicht nach hinten kippte.
»Verdammte Sch… willst du mich verarschen, Weißbrot?«
»Tut mir Leid«, sagte ich mit zitternder Stimme. »Sie haben mir doch gesagt, ich soll die Hände, Sekunde.«
Bevor Vargas irgendetwas erwidern konnte, sackte Bert plötzlich unter seiner Hand zusammen, stieß einen Schmerzensschrei aus und fasste sich an die Brust. Vargas lachte, zu schlau, um auf eine so offensichtliche Finte hereinzufallen; doch Bert gab keine Ruhe, schlug mit den Armen um sich und machte eine heftige Bewegung mit dem Kopf, wodurch er Vargas' Arm nach unten zog. Bert versuchte sich loszuwinden, und während Vargas sich mühte, den widerspenstigen alten Mann in den Griff zu bekommen, hob er die andere Hand, sodass ich die Waffe deutlich sehen konnte. Eine glänzend schwarze Automatikpistole; sie zielte in die Luft. Der Kleine fluchte hinter Vargas' Rücken, er hatte nur Augen für das Handgemenge. Auch Aimée starrte hin. Sie kam nicht auf die Idee, sich loszureißen.
Den Moment, als Bert sich an die Brus t fasste, nutzte ich, um den Rollstuhl rasch bis auf anderthalb Meter an Vargas heranzufahren. Ich hielt an. Vargas rang immer noch mit Bert. Ich gab ein leises Grunzen von mir.
Bill griff unter die obere der beiden Decken, tastete nach der Schrotflinte und zog sie heraus.
Eine alte, aber saubere achtschüssige Mossberg Mariner Mini-Combo mit Pistolenhandgriff und Schnelllademechanismus. Extrem abgesägt, sodass kaum noch etwas vom Lauf übrig war. Ich hatte sie unter dem Bett gefunden, wie er es mir gesagt hatte, in einem Leinenfutteral mit einer dicken Staubschicht darauf. Daneben zwei Gewehre in ähnlicher Verpackung und ein halbes Dutzend Schachteln Munition.
»Nehmen Sie die großen Patronen«, hatte er gesagt. Ich hatte die Waffe geladen.
Und sie dann dem blinden Mann in die arthritischen Hände gedrückt.
Vargas hatte Bert fest im Griff, aber Bert sah die Schrotflinte, machte eine halbe Drehung und biss Vargas mit aller Kraft in den Arm, und als Vargas aufschrie und ihn losließ, ließ er sich auf die Erde fallen und rollte zur Seite.
Ich murmelte »Jetzt«, und Bill drückte ab.
Der Knall traf meine Ohren wie ein Boxhieb, und der Rückstoß rammte mir den Rollstuhl in die Leiste, während Bills Kopf nach hinten gegen meinen Bauch geschleudert wurde.
Nacho Vargas wurde weggepustet, als hätte ihn ein eigens für ihn bestellter Tornado erwischt. Die untere Hälfte seines Gesichts verschwand in einer Wolke aus blutigem Staub, und wo seine Kehle und seine Brust gewesen waren, blühte eine riesige, rubinrote Orchidee auf. Während er nach hinten fiel, schoss aus seinem Rücken eine rötliche, mit weißen Flecken durchsetzte Brühe hervor und bespritzte Aimée und den kleinen Cowboy, der vor Schreck vollkommen erstarrt war. Ich stürzte mich auf ihn, riss gleichzeitig die Faust nach oben und traf ihn unter der Nase, und mit der anderen Hand bekam ich ihn zwischen den Beinen zu fassen und drückte mit aller Kraft zu.
Alles zusammen hatte nur fünf Sekunden gedauert.
Der kleine Mann ging zu Boden, landete auf dem Rücken und schrie vor Schmerzen laut auf. Sein schwarzes T-Shirt war mit einer Masse verschmiert, die wie Tatar mit Knochensplittern aussah, vermischt mit gräulichrosafarbenen, schwammartigen Klümpchen, die ich als Lungengewebe identifizierte. Seine Finger hielten immer noch den Griff seiner silbrig glänzenden Waffe umklammert. Ich trat mit einem Fuß auf seine Hand und kickte mit dem anderen die Pistole weg. Sie schlitterte über den Kies, und ich hechtete danach, geriet auf dem blutigen Brei ins Rutschen und fiel mit dem Gesicht voran in den Kies. Mein Kopf dröhnte von dem Aufprall, und dann fuhr mir der brennende Schmerz in die eine Gesichtshälfte, beide Ellenbogen und die Knie.
Ich war genau auf die Waffe gefallen - ich fühlte, wie sie sich in meine Brust bohrte. Jetzt würde das verfluchte Ding losgehen und mich durchlöchern, was für ein würdevoller Abgang.
Ich wälzte mich zur Seite, schnappte die Pistole, sprang auf und lief zurück zu dem kleinen Mann. Er lag reglos am Boden, und ich steckte die Finger unter seinen schmutzverkrusteten Unterkiefer, um seinen Puls zu fühlen. Langsam, aber regelmäßig. Die Hand, auf die ich gestiegen war, sah aus wie ein toter Krebs, und als ich seine Augenlider anhob, saß ich nur Weiß.
In der Nähe lag das, was von Nacho Vargas übrig war, nur noch als gerichtsmedizinisches Anschauungsmaterial zu gebrauchen.
Aimée sagte:
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