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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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»Ist es denn die Möglichkeit? Die Stimme ist mir doch gleich bekannt vorgekommen. Ignacio Vargas. Ist lange her, Nacho. Hey, Mann!«
    Es schien den Großen nicht zu beunruhigen, dass er erkannt worden war. Er grinste. »Ist lange her, Nigger.«
    »Verdammt lange her, Nacho. Doc, ich hab dem vaquero da früher Stoff verkauft. Er war ein ganz Schlauer, hat nie selbst probiert, sondern alles gleich an die Jungs von seiner Gang weiterverkauft. Hey, Nacho, hast du nicht 'nen längeren Urlaub gemacht? In Lompoc? Oder hast du's gar bis Quentin geschafft?«
    »Nigger«, sagte Vargas, »bevor ich abgetaucht bin, hab ich für dich und deine Dumpfbacke hier in diesem Haus in Niggertown ein heißes Tänzchen veranstaltet, aber ihr seid abgehauen. Und jetzt treffen wir uns hier wieder, nach all den Jahren. Ein… unverhofftes Wiedersehen, wie man so sagt. Von wegen, du bekommst keine zweite Chance.«
    Seine Lippen teilten sich zu einem breiten Grinsen und ließen zwei Reihen kaputter brauner Zähne sehen.
    Zwei Jahrzehnte an diesem sicheren Zufluchtsort und ich hatte den Feind zu seiner Tür gebracht.
    »Du weißt doch, was die Leute sagen, Amigo«, erwiderte Bill.
    »Wirf die Flinte nicht gleich ins Korn… Aber lass den Alten laufen, Mann. Das ist bloß ein Doktor, bei dem ich zufällig in Behandlung bin, der hat's mit dem Herzen, wird sowieso bald abtreten, also wozu der Aufwand?«
    Bert hatte vor sich auf die Erde gestarrt. Jetzt hob er ganz langsam die Augen. Sein Blick blieb auf mir ruhen. Entmutigt.
    Bill sagte: »Lass sie auch laufen. Sie kann doch niemandem was tun.«
    Bert trat von einem Fuß auf den anderen, und Nacho Vargas versetzte ihm einen Schlag. »Nicht zappeln, Opa. Ja, ich glaub, den Spruch hab ich schon mal gehört. Wirf die Flinte nicht gleich ins Korn, heb sie auf und schieß den Scheißkerl beim zweiten Mal richtig über den Haufen und geh hinterher fein essen. Komm jetzt, Weißbrot, schön weiterschieben, und wenn ich's dir sage, bleibst du stehen und hebst ganz langsam die Flossen, und dann legst du dich flach hin und verschränkst die Hände im Nacken und frisst Staub, verstanden?«
    Ich schob den Rollstuhl noch zirka dreißig Zentimeter weiter. Blieb wieder hängen, bekam die Räder wieder frei.
    Bill sagte: »Nacho war ein schlauer Bursche, hat immer nur gedealt und nie gespritzt. Ich hätte von dir lernen können, Nacho.«
    »Gar nix hättest du lernen können. Weil du blöd warst.«
    Ich verkürzte den Abstand zwischen uns und Vargas auf knapp zehn Meter.
    »Ich kann keinen Truck sehen«, sagte ich.
    »Aber da ist ein Truck, Mann«, meldete sich der Kleine. Vargas' angewiderter Blick sollte wohl seinem Partner gelten, doch er hielt die Augen auf mich gerichtet. Er begann ungeduldig mit der Stiefelspitze auf den Boden zu klopfen. Glänzend schwarze Stiefel, die nie in Steigbügeln gesteckt hatten; auch die Jeans sahen nagelneu aus. Ein richtiger Großeinkauf musste das gewesen sein.
    Und das alles für einen Tag, denn das Blut würde man nie wieder rausbekommen.
    Bill sagte: »Nacho, mein Freund, sei doch nicht dumm: Ich hab nicht mehr viel zu erwarten vom Leben, also erlöse mich ruhig von meinem Leiden, aber lass den alten Mann und Aimée und alle anderen in Ruhe. Nimm mich mit in deinem Truck und mach mit mir, was du…«
    »Als ob ich deine Erlaubnis dafür brauche, du Idiot«, fuhr Vargas dazwischen.
    Bill drehte den Kopf. »Nein, die brauchst du nicht, das behauptet ja auch niemand, es wäre einfach nur schlauer, wie ich schon sagte, er hat's mit dem Herzen«
    »Dann lass ich ihn vielleicht im Kreis laufen, bis er tot umkippt, und spar mir die Munition.« Vargas lachte, und während er die Hand mit der Waffe hinter Berts Rücken hielt, hob er den anderen Arm in die Höhe und hievte Bert mühelos hoch. Die Zehen des alten Mannes berührten kaum noch den Kies. Er war leichenblass geworden. Eine leblose Stoffpuppe.
    Vargas sagte: »Hey, das ist ja ein Kinderspiel.« Die Hand mit der Waffe begann sich auch zu heben. Nur zwei oder drei Zentimeter.
    »Nacho, Mann«
    »Ja, klar, wir lassen alle laufen. Vielleicht lassen wir dich auch laufen. Hey, das ist eine gute Idee, gehen wir doch alle zusammen ein Bier trinken.« Er schnaubte verächtlich. »Die Dumpfbacke ist nicht die Einzige, die sie nicht alle beisammen hat.« Die Stiefelspitze klopfte schneller. »Los, los, nun mach schon.«
    Ich verkürzte den Abstand auf sechs, auf fünf Meter, verlagerte mein Gewicht auf die Handgriffe, sodass der Stuhl

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